Nationalmannschaft für Paris 2024: Überblick über den neuen Kader beim German Sailing Team

Wer kommt, wer geht, wer bleibt?

In genau 903 Tagen beginnen die Olympischen Sommerspiele in Paris. Nach den großartigen Erfolgen bei den Spielen in Tokyo2020 hat das German Sailing Team Lust auf mehr. Die Aussichten sind vielversprechend: Viele der erfahrenen Athletinnen und Athleten an der Spitze des Kaders haben sich zu einer weiteren Olympiakampagne bekannt. Und im Nachwuchs- und Perspektivbereich sind in den vergangenen Jahren etliche Talente zu Kandidat*innen für Paris 2024 und Los Angeles 2028 gereift. Wir geben einen Überblick über den Kader 2022.

49erFX“Austesten, ob wir Potenzial sehen”

Tina Lutz und Susann Beucke

Olympiateilnehmerinnen 2021: Tina Lutz und Susann Beucke

Platzierung: Silber

Aussicht: Die Silbermedaillengewinnerinnen von Tokio nehmen sich nach ihrem Sensations-Erfolg eine bewusste Auszeit und arbeiten an ihrer Karriere nach dem olympischen Segelsport. „Gerade als Frau muss man sehen, dass man sich neben dem Segeln rechtzeitig ein zweites Standbein aufbaut“, sagt Tina Lutz. Die 31-Jährige ist ins Berufsleben eingestiegen, arbeitet im Personalbereich eines Pharmaunternehmens.

Vorschoterin Susann Beucke treibt ihre Karriere als Profiseglerin voran: Im französischen Lorient trainiert sie aktuell das Doublehanded-Offshore-Segeln in der Figaro-Klasse. Ihr Ziel formuliert die Sportsoldatin aus Strande klar: “Ich möchte die erste deutsche Offshore-Seglerin werden.“ Und was ist mit einer weiteren Olympiakampagne? Diese Möglichkeit wollen Tina Lutz und Susann Beucke bei einem der Saisonhöhepunkte 2022 – WM, EM oder Kieler Woche – seglerisch ausloten. Tina Lutz: „Wir werden austesten, ob wir Potenzial sehen, und uns dann entscheiden.“

Konkurrenten/Nachwuchs: Im Perspektiv- und Nachwuchskader hat sich eine starke Trainingsgruppe gebildet. Marla Bergmann und Hanna Wille, Maru Scheel und Freya Feilcke, aber auch das 2020 neu formierte Duo Inga-Marie Hofmann und Catherine Bartelheimer machten 2021 mit Top-Platzierungen bei Junioren- und Senioren-Events auf sich aufmerksam. Bei der Qualifikation für Paris 2024 werden diese jungen Crews ein Wörtchen mitzureden haben, wenn sie sich weiter so vielversprechend entwickeln.

49er“Olympia in Europa zu haben, das ist großartig“

Erik Heil und Thomas Plößel. © Lars Wehrmann

Olympiateilnehmer 2021: Erik Heil und Thomas Plößel

Platzierung: Bronze

Aussicht: Die Bronzemedaille hat Lust auf mehr gemacht: Erik Heil und Thomas Plößel nehmen eine dritte Olympiakampagne in den Blick. Parallel will Steuermann Erik bis September 2023 sein Medizinstudium mit dem Staatsexamen abschließen. Es gilt, zahlreiche Prüfungen und vier Monate Klinik-Praktikum mit dem Trainings- und Wettkampfplan sowie den Qualifikationskriterien in Einklang zu bringen. „Wenn das klappt, dann sind wir auf jeden Fall dabei. Wir haben Bock, und Olympia in Europa zu haben, das ist großartig“, sagt Erik Heil.

Vorschoter Thomas Plößel, der vor Tokyo2020 sein Maschinenbaustudium abschloss, trainiert zurzeit mit verschiedenen Steuerleuten auf Lanzarote. Zum Saisonhöhepunkt Ende August will das bewährte Duo aber wieder gemeinsam ins Boot steigen: „Wir werden rechtzeitig in das kanadische WM-Revier reisen und dort unsere Vorbereitung absolvieren“, sagt der Steuermann – und ergänzt: „Bislang hatten wir immer ein gutes Gefühl, wenn wir nach längeren Pausen wieder eingestiegen sind“.

Konkurrenten: Tim Fischer und Fabian Graf sind spätestens mit ihrem dritten Platz bei der WM 2018 in der Weltspitze angekommen, gewannen 2020 die EM und wurden 2021 Vize-Europameister. Ihre Kampagne für Paris 2024 läuteten die beiden im Dezember 2021 mit der WM-Silbermedaille ein. Mit der bayerischen Crew Jakob Meggendorfer und Andreas Spranger bewirbt sich ein weiteres Team um den 49er-Startplatz vor Marseille.

Nacra 17120 Prozent für Marseille 2024

Paul Kohlhoff und Alica Stuhlemmer. © Felix Diemer

Olympiateilnehmer 2021: Paul Kohlhoff und Alica Stuhlemmer

Platzierung: Bronze

Aussicht: „Wir sind gekommen, um zu bleiben“, sagt Alica Stuhlemmer. Das Duo Kohlhoff/Stuhlemmer segelt in Deutschland zurzeit ohne Konkurrenz, arbeitet „mit 120 Prozent“ auf die Spiele 2024 in Marseille hin. Ein erstes Ausrufezeichen in der neuen Kampagne setzten die Kieler Sportsoldaten bereits im Dezember mit ihrer Bronzemedaille bei der Weltmeisterschaft im Oman. Auch Los Angeles 2028 ist für die junge Crew noch attraktiv.

Ziel für die Saison 2022: Mit den technischen Neuerungen ihres foilenden Kats vertraut werden und schnell wieder das volle Performance-Potenzial erreichen. Um das Verletzungsrisiko zu verringern, wurden die Flügel (Elevators) an den Ruderblättern des Nacra 17 modifiziert. Das Rudersystem wird zudem künftig mit Leinen gefahren, „das ist cool, weil wir dann noch effektivere Trimm-Möglichkeiten auf dem Wasser haben“, sagt Alica Stuhlemmer.

Zumindest die neuen Elevators sind bei der ersten internationalen Regatta Anfang April auf Mallorca schon Standard. Ob dann auch das neue Steuersystem schon zum Einsatz kommt, entscheidet sich Anfang März – noch haben nicht alle Teams vom Hersteller das nötige Equipment bekommen.

ILCA 7 (ehem. Laser Standard) “Ich wollte mir meiner Motivation hundertprozentig sicher sein”

Philipp Buhl. © Sailing Energy / World Sailing

Olympiateilnehmer 2021: Philipp Buhl

Platzierung: Fünfter

Aussichten: Halbe Sachen sind nichts für Philipp Buhl. Obwohl ihm schon bei Olympia in Tokio eigentlich klar war, dass er weitermachen möchte, ließ er sich mit der Entscheidung bis November Zeit. „Zwar war ich nie an dem Punkt, dass ich keinen Bock mehr aufs Segeln hatte“, sagt Philipp, „doch ich wollte mir meiner Motivation hundertprozentig sicher sein, bevor ich eine verbindliche Aussage treffe.“ Er freut sich auf weitere drei Jahre Hochleistungssegeln: „Leistungssport ist ein Privileg, man lernt fürs Leben.“

Mitte Februar steigt der Sportsoldat wieder ins Training ein. Auf Lanzarote trifft er seine Trainingspartner Hermann Tomasgaard (Norwegen), Kaarle Tapper (Estland) und Nik Aaron Willim. Neu in der internationalen Trainingsgruppe ist der Franzose Jean-Baptiste Bernaz. „Jean-Baptiste ist lustig und motiviert, er wird unsere Gruppe bereichern“, sagt Philipp Buhl. Zwei längere Trainingsblocks auf Lanzarote und Mallorca stehen auf dem Programm, dann die Regatten in Palma und Hyères, bevor im Mai die Weltmeisterschaft in Mexiko stattfindet.

Konkurrenten/Nachwuchs: Zwar konnte der 25-Jährige Nik Aaron Willim nach einer unglücklichen Saison 2021 die Kriterien für den DSV-Perspektivkader nicht erfüllen, doch er ist weiterhin Teil der Trainingsgruppe um Philipp Buhl. Bei der WM in Mexiko hat Willim eine neue Chance, sein Potenzial zu zeigen und die Weichen in Richtung Olympia zu stellen. Für Los Angeles 2028 setzten sich im German Sailing Team bereits zahlreich junge Segler in Szene, unter anderem Julian Hoffmann, Nico Naujock, Phillip Walkenbach und Linus Klasen.

470er“Motivation könnte nicht größer sein”

Mit Steuerfrau Luise Wanser wurde Anastasiya Winkel in Enoshima Olympia-Sechste im 470er. © Sailing Energy / World Sailing

Olympiateilnehmerinnen 2021: Luise Wanser und Anastasiya Winkel

Platzierung: Sechste

Aussichten: Sie haben Kämpferinnen-Qualitäten bewiesen – Luise Wanser und Anastasiya Winkel qualifizierten sich in letzter Minute für Olympia und arbeiteten sich in Enoshima aus abgeschlagener Position wieder unter die besten sechs 470er-Teams der Welt. „Die Situation, so nah an einer Medaille zu sein (…), die hat mir gezeigt, dass eigentlich alles realisierbar und nichts unmöglich ist“, sagt Anastasiya Winkel.  Im 470er-Mixed möchte sie noch einmal um die Medaillen segeln, ebenso wie Luise Wanser.

Während Anastasiya Winkel sich mit Ehemann Malte zusammengetan hat, geht Luise Wanser mit Philipp Autenrieth in eine neue Olympiakampagne. „Ich bin in Paris aufgewachsen. Meine Motivation könnte nicht größer sein, in Marseille eine Medaille zu gewinnen“, sagt die Jura-Studentin. „Mit Philipp zu segeln macht extrem viel Spaß, wir liegen auf einer Wellenlänge. Als ich im November auf Lanzarote meine Bachelor-Arbeit geschrieben habe, hat Philipp mir den Rücken freigehalten, den kompletten Auf- und Abbau des Bootes übernommen. Ich musste nur den Neo anziehen und aufs Boot steigen. So konnten wir trotz Uni-Verpflichtungen im Training bleiben.“

Konkurrenten: Mit Theres Dahnke und Matti Cipra sowie Daniel Göttlich und Anna Markfort bilden die Olympia-Seglerinnen von 2021 und ihre neuen Teampartner eine starke Trainingsgruppe, die sich auf dem Weg nach Marseille 2024 gegenseitig pushen wird.

Neu in der Perspektivkaderförderung sind die Studentin Theresa Löffler und der Zahnarzt Christopher Hoerr. Viele 470er Mixed-Teams verbringen den Großteil des Winters im Training auf Lanzarote. Auch etliche andere Nationen nutzen das Atlantikrevier für ihr Wintertraining – eine erste Gelegenheit, sich vor den großen Wettkämpfen zu beschnuppern. Das erste mit Spannung erwartete Regatta der neu formierten Mixed-Teams im 470er ist die Trofeo Princesa Sofia Anfang April auf Mallorca.

ILCA 6 (ehem. Laser Radial)Starke Nachfolgerinnen für Svenja Weger 

Svenja Weger ist im ILCA 6 (ehem. Laser Radial) abgetreten. © Sailing Energy / World Sailing

Olympiateilnehmerin 2021: Svenja Weger

Platzierung: 16.

Aussicht: Die Olympischen Spiele bildeten den Schlussakkord in Svenja Wegers bewegter Leistungssportkarriere. Die Europameisterin von 2014 hat sich aus dem internationalen Regattageschehen verabschiedet und widmet sich ihrem Psychologiestudium. Doch sie bleibt dem Segelsport erhalten: Ihr Können gibt Svenja an junge Seglerinnen und Segler weiter, trainiert in Hamburg den Nachwuchs des Mühlenberger Segel-Clubs.

Mit Julia Büsselberg und Hannah Anderssohn segeln zwei sehr junge, aber schon sehr erfolgreiche Sportlerinnen mit Olympia-Ambitionen im Perspektivkader des German Sailing Teams. Die 21-jährige Julia Büsselberg spielte zuletzt bei der Weltmeisterschaft 2021 ihr großes Können bei leichten, drehenden Winden aus und segelte auf den fünften Gesamtrang.

Zur Frage, ob sie bereits die Spiele in Marseille anpeilt, sagt die Berliner Informatik-Studentin nach ihrem WM-Erfolg: „Ja und nein. Ja, ich will unbedingt mal eine olympische oder eine WM-Medaille haben. Aber ich weiß noch nicht, wann ich mir die zum Ziel erklären sollte.“

Eher eine Spezialistin für Starkwind ist Hannah Anderssohn. Die 22-jährige Maschinenbau-Studentin wurde bei der EM 2021 Sechste. Damit gelang ihr auf dem Schwarzen Meer zugleich das Comeback nach längerer Verletzungspause. „In Balance mit dem Training so viel Rennpraxis reinkriegen wie möglich”, so formuliert die Rostockerin ihr Ziel für die Saison 2022.

iQFOiL“Das wollte ich mir nicht entgehen lassen”

Sebastian Kördel. © SAILING ENERGY

Viele Top-Fahrer und -Fahrerinnen aus dem Windsurf-Worldcup haben sich begeistert der neuen olympischen Surf-Klasse zugewandt, so auch in Deutschland. „In Paris starten wir in einer Klasse, die dynamisch und schnell ist – das wollte ich mir nicht entgehen lassen“, sagt Sebastian Kördel, der seit diesem Jahr im Olympiakader des DSV gefördert wird.

Auch Lena Erdil formuliert klar ihr Ziel unter anderem im Doppelinterview: Paris 2024. „Bei der Olympiakampagne bin ich zum ersten Mal Teil eines echten Teams, mit dem ich aufs Engste zusammenarbeite“, bringt die 31-Jährige Marketing-Fachfrau den Unterschied zum bisherigen Profi-Leben als Windsurferin auf den Punkt.

Im Nachwuchsbereich trainiert der deutsche Vizemeister Fabian Wolf wie Sebastian Kördel beim iQFOiL-Bundestrainer Dom Tidey. Die deutschen iQFOiL-Frauen werden von Olga Maslives trainiert. Neu in der Trainingsgruppe ist die Studentin Theresa Steinlein, die nach einer erfolgreichen Junioren-Karriere im 420er auf das foilende Windsurfboard umgestiegen ist. In der Jugend-Nationalmannschaft wird seit 2022 die Schülerin Sophia Meyer gefördert. Die Berlinerin ist die Tochter des mehrmaligen Olympia-Teilnehmers im Windsurfen, Dirk Meyer.

Formula Kite„Beständig unter den fünf Besten“

Kite-Foiling. 2024 erstmals olympisch. © IKA

Schon für die Olympischen Spiele 2016 war Kitesurfen im Gespräch, 2024 ist es endlich soweit: Vor Marseille werden im Formula Kite Medaillen für Frauen und Männer vergeben. Mit seinem achten Platz bei der WM ist Florian Gruber aus Garmisch-Partenkirchen zurzeit der deutsche Top-Fahrer im Formula Kite. „Beständig unter den fünf Besten“ zu sein, formuliert der 27-Jährige Student sein Ziel für die Saison 2022.

Dafür will der Mann vom Binnensee verstärkt bei Starkwind- und Welle trainieren. Auf den Fersen ist Florian Gruber der Niedersachse Jannis Maus. Seine Bilanz der Saison 2021: Zehnter bei der EM, 14. bei der WM und Deutscher Meister. „Ich habe mein Potential gesehen“, gibt sich der 25-Jährige selbstbewusst.

Beste deutsche Kitesurferin ist Leonie Meyer. Die junge Mutter konnte die Kaderkriterien für 2022 nicht erfüllen, nimmt aber dennoch an Trainingsmaßnahmen beim Bundestrainer Chris Rashley teil.  Zurzeit bereitet sich die 28-jährige angehende Ärztin in Südamerika auf das erste große europäische Event, die Trofeo Princesa Sofia, vor. Ihr Langzeitziel ist klar definiert: die Qualifikation für 2024.

Quelle: German Sailing Team / DSV

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert