Boris Herrmann ist am Sonntag bei dem Einhandrennen New York Vendée mit Malizia auf dem zweiten Platz in Les Sables eingelaufen. Charlie Dalin siegte deutlich. Wie das Ergebnis zu bewerten ist.
Die Bühne gehörte Malizia. Bei perfekten Bedingungen, kräftigem Wind und strahlender Sonne ließ es sich Boris Herrmann nicht nehmen, noch einmal eine ordentliche Flugshow abzuliefern. Der IMOCA stieg noch einmal mit dem Bug in die Luft und klatschte wieder aufs Wasser – wie ein bockender Bronco. Dann nahm er die Zügel wieder dicht und demonstrierte, dass er seinen Foiler längst gezähmt hat.
Tausende Zuschauer verfolgten das Einlaufen in den Hafen von Les Sables d’Olonne. Dabei stahl er ein wenig seinem Konkurrenten Charlie Dalin die Show, der 1 Stunden zuvor im Dunkeln die Ziellinie überquert hatte. Er lief erst am Morgen ein und ließ sich von der Menge feiern.
Dalin lieferte einen überlegenen Sieg ab. Sein Durchschnittsspeed lag mit 15,32 zwar unter den 15,76 Knoten von Boris Herrmann, aber sein Weg war auf den 3734 Seemeilen eben auch 378 Meilen kürzer als der des Deutschen. Am Ende zahlte sich das Risiko des langen Weges nördlich des Hochdruckgebietes gegenüber Dalin nicht aus.
Nachdem nur die beiden Skipper nicht von der Front eingesaugt worden waren, ging es nur noch um ein Duell. Beide Skipper segelten ein einsames Rennen, sorgten aber für eine schöne Show.
Boris Herrmann erklärt nach dem Zieleinlauf noch einmal seine Strategie im Interview. Er habe wirklich Spaß daran gehabt, den einsamen nördlichen Weg im Norden einzuschlagen. So ist es zu der Entscheidung gekommen: „Es gab da diese Front, der wir entwischen mussten, und ich war mir nicht ganz sicher, ob die Gefahr bestand, dass die Front uns noch einholen könnte. Ich orientierte mich weiter nach Norden, um mich so weit wie möglich von der Front zu entfernen.“
Das habe ihn zu Dalin in eine andere Position gebracht als die große strategische Entscheidung zu treffen war, auf welcher Route es am schnellsten weiter geht. „Ich dachte, die Nordroute wäre besser für mich. Ich habe das eine Weile beobachtet und mich dann gefragt, ob ich diese Entscheidung vielleicht noch einmal überdenken sollte. Aber ich bin weitergesegelt, und ein paar Tage später konnte ich es sowieso nicht mehr ändern.“
Er habe an dieser Option durchaus gezweifelt, „weil sie auf der Karte einfach verrückt aussah“. Aber es sei wohl richtig gewesen. Als die Entscheidung zu treffen gewesen sei, wies das Routenprogramm den Weg als schneller aus. Will Harris hatte das auf seinem Computer an Land ebenfalls so gesehen. „Charlies Kurs war zwar direkter, aber er wies auch mehr Zickzacklinien auf“, man musste öfter halsen.
In einigen Phasen habe das Programm Malizia als Sieger gesehen. „Mit einer direkteren Route um den Hochdruck herum hätte ich ihn schlagen können, wenn ich alle diese Halsen hätte sparen können. Einige Modelle zeigten einen um 10 Grad gedrehten Wind, der mir den kürzeren Weg ermöglicht hätte. Dann wäre ich fast einen Tag früher im Ziel gewesen.“
Er hätte auch früher wenden und Dalin folgen können, aber da lag er schon 100 Meilen achteraus. „Das wäre dann ein weniger aufregendes Rennen gewesen, auch für mich. Und ich wollte unbedingt mehr Vorwind segeln und den Norden mit seinen Übergängen erleben. Ich bin mit meiner Entscheidung zufrieden.“
Bei der Vendée Globe würde er ein solches Risiko nach eigenen Angaben vielleicht etwas anders handhaben, „aber das ist schwer zu sagen.“ Beide Transatlantik-Rennen seien eine gute Vorbereitung für die Vendée Globe gewesen. „Beim Rennen nach New York ging es viel darum, mit anderen Booten in Kontakt zu bleiben. Das war gut, weil ich sehen konnte, dass meine Geschwindigkeit meistens in Ordnung war. Auf dem Rückweg war ich sehr allein im Norden. Und so ein Gefühl hat man manchmal auch bei der Vendée Globe. So konnte ich ein bisschen trainieren, mich an dieses Gefühl erinnern.“ Es sei manchmal nicht so einfach zu ertragen.
Technische Probleme habe es diesmal fast gar nicht gegeben. „Ich bin besonders froh, dass mein Großsegel gehalten hat, denn es hat nun schon das Ocean Race und drei Transatlantikrennen überstanden, also hat es sehr gute Dienste geleistet.
Nun freue er sich auf die Vendée Globe. „Mit diesem Rennen haben wir erreicht, was ich mir erhofft habe, nämlich dass wir mit Zuversicht in den Sommer gehen.“ Die getroffenen Entscheidungen bezüglich des Materials seien richtig gewesen. Nun werde man das Boot ein wenig überholen „aber ziemlich alles so lassen, wie es ist“.
Mit zwei zweiten Plätzen bei der Transat CIC und der Vendée New York hat sich Boris Herrmann nun definitiv in den näheren Favoritenkreis für die Vendée Globe vorgeschoben. Nicht unbedingt, weil sein einsamer Kurs im Norden eine strategisch so besondere Leistung war, sondern weil er sich überhaupt in der Position halten konnte, die den Break möglich gemacht hat. Malizia sieht inzwischen auch dann stark aus, wenn nicht die brutalen Southern Ocean Bedingungen herrschen, für die sie gemacht ist.
Dalin war in dieser Phase noch ein wenig schneller und erwischte deshalb einen noch besseren Absprung. „Es ging um fünf Meilen“, sagt Jérémie Beyou zu dieser Phase, in der er eigentlich mit den späteren beiden Spitzenreitern zusammenlag. „Ich bin abgefallen, um zu beschleunigen und aus dem System herauszukommen. Aber es klappte nicht. Die fünf Meilen Rückstand wurden schließlich zu 500 Meilen.“
Charlie Dalin freut sich: „Es fühlt sich gut an, zu gewinnen! Es war der letzte Test vor der Vendée Globe und deshalb ein wichtiges Rennen, um der Konkurrenz zu zeigen, dass ich hier bin, dass ich präsent bin.“
Tatsächlich war dieser Sieg insbesondere in psychischer Hinsicht wichtig für den Dominator der vergangen Jahre, der den Vendée-Globe-Sieg nur durch die Zeitgutschrift für Yannick Bestaven verpasste. Dalin war nach der gewagten Neubaustrategie, die seine Macif als letzten der Favoriten-IMOCAs vom Stapel laufen ließ, gut mit einem Sieg in das Fastnet Race 2023 gestartet. Aber danach verpasste er das Transat Jacques Vabre wegen eines größeren gesundheitlichen Problems mit der Verdauung.
Es kostete ihn wichtige Vergleichsmöglichkeiten auf dem langen Passatwind-Surf unter Gennaker. Erst im April 2024 bekam er von den Ärzten wieder grünes Licht zum Langfahrtsegeln. Und er wollte die nächsten beiden Transats nutzen, um sich mit der Konkurrenz zu messen. Das gelang bei der CIC nur bedingt. Die Passagen mit leichtem bis mittleren Wind verliefen für Macif erwartungsgemäß schnell und Dalin segelte mehr als drei Tage lang an der Spitze. Aber bei den harten Vorwindgängen wurde er von Yoann Richomme regelrecht düpiert.
Auch Herrmann zog nach sechs Tagen vorbei und Dalin trat schließlich auf die Bremse. Er nannte als Grund technisches Problem mit der Steuerung seines neuen Bootes. Es war aus dem Ruder gelaufen und es gab Schäden. Ab diesem Moment fehlten ihm erneut die Optionen, sich mit Richomme, Herrmann und Davies zu vergleichen – die in diesem Moment Schnellsten bei diesem Kurswinkel, der wohl bei der Vendée Globe häufig gesteuert werden wird.
Diese fehlenden Daten zu Trimm oder Foilwinkel, die den ärgsten Konkurrenten schon vorliegen – umso mehr bei Boris Herrmann, der The Ocean Race im Kielwasser hat – wollte er nun bei der New York-Vendée erheben. Genauso wie Thomas Ruyant und Sam Goodchild, deren Rennstall sogar auf die vermeintliche Amwind-Regatta nach New York verzichtet hatten. Aber der sehr spezielle Rennverlauf nahm Dalin die Option. Deshalb könnte es für ihn nur ein Pyrrhussieg sein.
Das einsame Rennen an der Spitze mag eine schöne psychologische Wirkung haben, aber so richtig weit hat es ihn bei der Verbesserung seines Bootes nicht gebracht. Deshalb setzte er sich selbst eine anderes Trainingsziel. „Ich habe vor allem an meinem Schlaf- und Selbstmanagement gearbeitet.
Dalin gelang der Break an dieser Front „während die meisten noch von diesem System gefangen waren. Ich habe es geschafft, nicht blockiert oder zurückgesaugt zu werden. Der Wind drehte und ich war auf der richtigen Seite…Danach segelte ich mit hoher Intensität weiter.“
Eigentlich hätte er sich entspannt zurücklehnen können. Stattdessen habe er den Vendée-Globe-Rhythmus geprobt, „indem ich meinen Schlaf und meine Segelwechsel kontrollierte. Deshalb habe ich bis zum Ende angegriffen! Ein paar Stunden vor dem Ziel segelte ich immer noch mit 30 Knoten. Die Idee war, von Anfang bis Ende nicht nachzulassen, und das habe ich auch getan. Ich bin mit dem Gasfuß auf dem Boden gesegelt.“
Bewusst testete er damit auch die Haltbarkeit der Konstruktion. „Aber es gibt keine strukturellen Probleme. Darüber bin ich sehr froh. Mein Ziel ist es, hart zu segeln und um den Sieg zu kämpfen. Wenn es einen kleinen psychologischen Vorteil gibt, dann besser jetzt als nie“.
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