Braschosblog: Andrin Steiner und sein ultraleichter Baukran-Baum für 14500 Euro

Leicht ist schwer

Baukran Design

Damit das Profil die beiden Belastungen aushält, muss die Ober- mit der Unterkante möglichst clever verbunden werden. Das übernehmen teils die herkömmlich geschlossene Seitenwand, teils die 45 Grad Verstrebungen, wie man sie bei Baukränen sieht. Diese Technologie ist alt, bewährt und in der Metallbauweise nichts Neues. Die Bauweise in Karbon anzuwenden ist aber etwas komplizierter.

Auch ist das Biegen der unidirektionalen (sprich in Hauptzugrichtung ausgelegten) Faser mit Prepregs schwierig bis unmöglich. Also musste eine Lösung zur kraftschlüssigen Verbindung der Streben mit den Baumober- und –unterseiten gefunden werden. Ein herkömmlicher Karbonbaum in der gleichen Länge besteht aus etwa 120 Karbonstreifen. Der Großbaum im Baukrandesign besteht aus 539 Stücken Karbon. Das vervierfacht die Arbeitszeit gegenüber einem normalen Karbonbaum in „Vollmaterialbauweise“. Die hat abgesehen vom Material natürlich ihren Preis. Der Baum kostet 14.500 €.

Man kann darüber debattieren (oder schmunzeln), ob sechs Kilo Gewichtsersparnis einschließlich Rollenkästen, Lümmelbeschlag und Baumniederholeraufhängung, zuzüglich Lackierung und laufendendes Gut im decksnahen Bereich diesen Aufwand lohnen. Aber erstens sieht Steiner da noch mehr Luft, zweitens „heißt Entwicklung eben Entwicklung“.

„Als ich 1991 bei Desafio Espanol für den America’s Cup die Karbon Mastproduktion in der Airbus Fabrik CASA im Süden von Madrid überwachte, hätte ich nicht im Traum daran gedacht, mal so einen Baum im Arm zu haben. Das Knowhow war damals schlicht nicht da“ erinnert Steiner. Leicht ist schwer, geht aber, wenn man wie der gebürtige Schweizer, lange genug dran bleibt.

Die Steiner-Story

Der Baum entstand für den 36 Fuß ORC Cruiser/Racer „Bondi“ und soll im Herbst fertig sein. Das Boot zum Baum und 18 m langen Steiner Karbonmast wird derzeit von Sven Kurka in Hamburg in fortschrittlicher Bootsbautechnologie nach einem Entwurf von „Yachtron Design“ gebaut.

Steiner ist schon eine Weile mit fortschrittlichem Mastbau beschäftigt. Er begann 1977 als Werkstattleiter und Konstrukteur beim kalifornischen Hersteller Seatek, arbeitete als leitender Ingenieur bei Sparcraft und war 1986/7 für den Mast von Dennis Conners erfolgreichen America’s Cup 12er „Stars & Stripes“ verantwortlich. Danach gründete er das erste Mastbaukonstruktionsbüro und steckt seit vielen Maxis, Whitbread Booten, Megayachten, Wallys und Regattaschiffen ziemlich im Thema. Die Referenzliste seiner Projekte ist beeindruckend. Die beginnt mit dem Maxis „Ondine III“, enthält die „Il Moro di Venezia II und III“, den Aufbau der Mastbauabteilung für Perini Navi bis hin zum ersten Glasfasermast für den 12er „French Kiss“. 2007 gründete er die Steiner Design GmbH, die nach einer Stippvisite bei Speedwave neuerdings in einer 1.500 qm Halle der ehemaligen Bodanwerft in Kressbronn bei Friedrichshafen am Bodensee ansässig ist.

 

Erdmann Braschos

Sein Spezialgebiet umfasst Mega-Yachten, Klassiker, Daysailor und Schärenkreuzer. Mehr über Erdmann findest Du hier.

2 Kommentare zu „Braschosblog: Andrin Steiner und sein ultraleichter Baukran-Baum für 14500 Euro“

  1. Erdmann sagt:

    Alles schon mal dagewesen, klar. Bäume mit rechteckigem Profil, die an den Flanken ausgefräst und des Windwiderstands halber mit Folie beklebt wurden, gab es auch schon in Alu.

    Ich habe Steiner gestern nochmal gefragt: Der Kick bei seiner Entwicklung ist die kraftschlüssige Verbindung der seitlichen Streben mit den Baumober- und -unterseiten. Leider verrät er nicht, wie er die Karbonstreifen so untergebracht hat, dass die ultraleichte Konstruktion hält. Zur Erinnerung: bei enem unidirektionalen Gelege verlaufen die Fasern gerade, nicht in den wünschenswerten Radien, sodass die „Knoten“ nicht einfach wie bei einer geschweißten Metallkonstruktion in mehrere Richtungen beansprucht werden können.

    „So was zu ohne AC Budget zu entwickeln ist viel schwieriger als in einem gut gepolsterten Syndikat mit Forschungs- oder Basteletat zu arbeiten. Ich hatte für die Entwicklung kein Geld, habe aber lange nachgedacht“ erklärt Steiner auf Nachfrage.

    SR-Fan, das finde ich neben der Tatsache, daß der Baum nicht in einer angelsächsischen, italienischen oder französischen Epoxidharz-Hexenküche ausgedacht wurde, sondern am Bodensee, bemerkenswert. Endlich mal was neues, was an den Ideenreichtum des Speedwave-Gründers von Rudi Magg anknüpft.

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