Vendée-Globe-Porträt: Jean-Pierre Dick, vom Tiermedizin-Unternehmer zum Profi-Skipper

Im Namen des Vaters

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Eine Nacht und einen Tag mit Jean-Pierre Dick auf der Virbac Pabrec – ein Privileg!

Jean-Pierre Dick ist einer der erfolgreichsten Hochsee-Segler Frankreichs – nur bei der Vendée Globe war er bisher mit wenig Glück gesegnet. Derzeit liegt er aber auf Rang 3, hat bereits den 24-h-Geschwindigkeitsrekord eingestellt und freut sich „dick“ darüber. Ein Porträt

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Selbstporträt auf der Zielgeraden, mitten im Atlantik © Dick

„Säggelrep… comment?“ Die französische Pressereferentin ist sichtlich genervt: Schon wieder so ein ausländische Medium mit unaussprechlichem Namen, das mit „ihrem“ Jean-Pierre Dick kurz vor dem Start zur Vendée Globe sprechen möchte. „Eh bien, Ihr Interview-Termin ist dann übermorgen, ca. 16:30h für 10 Minuten. Vielleicht!“

Aber wer wird denn da enttäuscht sei? Alles kein Problem, wenn man gute und einflussreiche Kumpel hat. Das Interview für die große französische Tageszeitung „Liberation“ steht in einer halben Stunde an – und SR ist rein zufällig mit dabei…

Sieht nur so harmlos aus

Jean-Pierre Dick sieht aus wie der Lieblingsschwiegersohn einer englischen Lady: Rötliche Haare, sommersprossige Haut , eben ein ziemlich nordischer Typ, vor allem für französische Verhältnisse. Womit wir bei Täuschung Nr.1 wären: Jean-Pierre ist Südfranzose, wie er (eben nicht) im Buche steht. Geboren in Nizza, verbringt er den größten Teil seines Lebens an der Cote d’Azur, wenn er nicht gerade als Kind hinter seinem Vater her reiste oder als Erwachsener auf den Weltmeeren segelte, aber davon später mehr.

Jean-Pierre Dick, Vendée Globe, Porträt

Das ist wie Suche nach dem Gral © Liot

Der Mann wirkt im Gespräch ein wenig introvertiert, denkt lange nach, bevor er Antworten gibt, will augenscheinlich keine Banalitäten verbreiten und achtet sehr auf den Inhalt seiner einsilbigen Sätze. Stellt man ihm Fragen, schaut er meist gedankenverloren über den Steg , ganz so, als würde er jetzt schon den Horizont suchen, weil er ohne nicht auskommen kann. Jean-Pierre Dick, ein Träumer und nicht von dieser Welt?

Willkommen bei Täuschung Nr.2

Der knapp 50jährige gilt als penibler Segler, ist als tyrannischer Manöver-Perfektionist verschrien und will alles, aber auch wirklich alles an seinem Schiff x-mal kontrollieren. Seine akribisch vorbereiteten Regatten sind legendär, seine Siege immer auch Teil seiner umsichtigen und zumeist fehlerfreien Organisation.

So weit, so gut. Doch was wirklich selten ist in der Offshore-Szene: Jean-Pierre Dick kann auf eine erfolgreiche berufliche Karriere in einer Branche zurück blicken, die rein gar nichts mit seiner Passion zu tun hat – Veterinärmedizin und -wissenschaft.

Dick stand über Jahre hinweg dem elterlichen Unternehmen Virbac mit weltweit mehr als 3.500 Mitarbeitern vor und hat sich erst mit 36 Jahren entschlossen, Berufssegler zu werden. „Natürlich war ich schon vorher vom Virus „Segeln“ infiziert,“ macht er deutlich, „nur damals, als ich Michel Desjoyeaux in 2001 als Sieger über die VG-Ziellinie defilieren sah, wurde mir klar, dass sich meine Zukunft auf den Meeren der Welt abspielen sollte. Dort, wo mein Vater geblieben ist…“

Jean-Pierre Dick, Vendée Globe, Porträt

Immer auf Messers Schneide, auch beim Essenfassen © Liot

Vater-Sohn-Liebe

Nizza, irgendwann im Sommer des vergangenen Jahres. Jean-Pierre Dick enthüllt eine Statue, die in der Stadt zu Ehren seines Vaters aufgestellt wurde. Die anwesenden Honoratioren verweisen auf „den großen Bürger unserer Stadt“, wobei Jean-Pierre bestimmt wieder einmal gedankenverloren Richtung Horizont blickte. Denn sein Vater ist die zentrale Figur in JPs Leben.

Als Kind reiste er mit den beiden Schwestern und der Mutter dem rastlosen Vater durchs koloniale Afrika und die Antillen hinterher, bis der sich schließlich in Nizza niederließ und das Veterinär-medizinische Unternehmen Virbac gründete. Nur so, um mal zu sehen, wie seine Ideen für bestimmte Impfstoffe und dergleichen ankommen werden.

Irgendwann in den Siebzigern, als sich die ersten Erfolge einstellen, kauft Vater Dick einen Hobie Cat, um neben der ganzen Arbeit auf andere Gedanken zu kommen. Er nimmt seinen Jüngsten mit aufs Meer und bald ist es um beide geschehen: „Mein Vater war eigentlich ein Arbeitstier. Aber wenn wir auf dem Boot zusammen waren, wurde er zu einem anderen Menschen!“ Im Laufe der Jahre werden die Boote zu Schiffen, immer der Vater am Ruder, der Sohnemann am Draht oder mit den Füßen unterm Gurt. Sie segeln rüber nach Korsika, sie mischen bei den ersten Regatten vorne mit.

Jean-Pierre Dick, Vendée Globe, Porträt

Warum sind D…-Segel auch so schwer © Liot

„Eigentlich wollte ich Schiffsbauingenieur oder so etwas werden, aber das stieß alles nicht auf große Gegenliebe bei meinem Erzeuger,“ erinnert sich Jean-Pierre heute. „Also schrieb ich mich auch fürs Veterinär-Studium ein! Hauptsache, ich konnte irgendwie weiter segeln!“. Damals war der Vater schon auf dem Niveau „Admirals Cup“ angelangt, sportlich wie finanziell. Und übergab ausgerechnet seinem 20jährigen Sohn das Ruder für die aufwändige Kampagne. „Das war so etwas wie eine Initialzündung für mich,“ sagt Jean-Pierre heutzutage. „Von da an teilte ich mich zwischen zwei Welten auf!“

Michael Kunst

Näheres zu miku findest Du hier

2 Kommentare zu „Vendée-Globe-Porträt: Jean-Pierre Dick, vom Tiermedizin-Unternehmer zum Profi-Skipper“

  1. Andreas Borrink sagt:

    Toller Bericht, danke!

    Jetzt ‚mal sehen, ob der „Gentleman“ es sich in Peter’s Café Sport gemütlich macht oder den riskanten Trip bis nach Les Sables mit Aussicht auf Rang 4 wagt.

    Bei vorhergesagt moderaten, westlichen Winden wohl machbar, aber risikoreich; eine ungünstige Bö und er liegt auf der Seite. Und Halsen mit einem kiellosen Boot – vielen Dank!

    Hat ja am Ende auch was mit möglichen und u.U. (auch für andere) gefährlichen Rettungsaktionen zu tun. Möchte ich nicht entscheiden.

    Do the right thing!

  2. NK sagt:

    Wieder ein toller Bericht mit enormen Hintergrundinformationen von Herrn Kunst!! Respekt.

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