Die Landesregierung Schleswig-Holstein plant weitreichende Maßnahmen zum Schutz der Ostsee. In den Kommentaren kochen die Gemüter hoch. Warum eigentlich? Wo ist das Problem?

Extrem abgeschwächt. So könnte man den “Aktionsplan Ostseeschutz 2030” bezeichnen. In den Jahren zuvor wurden wesentlich härtere Maßnahmen und große Schutzzonen diskutiert, die nach erheblichen Protesten nun in sehr sanfter Form in einem Plan verfasst wurden. Dennoch kochen einige Segler offenbar vor Wut. Grund gibt es dafür in meinen Augen keinen.
Die Ostsee leidet. Vor allem, wenn man wie wir nun an der Küste lebt, merkt man das noch stärker, als bisher, wo ich nur in der Saison auf ihr gesegelt bin. Manche Menschen freuen sich, wenn Schweinswale in der Kieler Innenförde gesichtet werden. Sie posten Fotos und sind begeistert. Leider ist anzunehmen, dass der Grund für die Besuche darin liegt, dass die Meeressäuger draußen auf der Ostsee kaum noch Nahrung finden und dann halt auch mal die Förde absuchen. Dorschen sind deren Lieblingsspeise – und so knapp, dass das Dorschangeln komplett untersagt wurde.
Die Ostsee sieht zwar schön aus, wenn man sich auf ihr bewegt, aber es geht ihr ziemlich mies. Es gibt nahe der Küste bereits sogenannte “Todeszonen”, in denen überhaupt kein Leben mehr existiert. Dünger und Pestizide setzen ihr genauso zu wie Munitionsreste und immer höhere Temperaturen. Der Segler merkt davon nichts. Im April T-Shirt-Segelwetter? Ist doch schön!
Jedem sollte klar sein, dass wir was tun müssen, und zwar so schnell es geht. Dennoch gibt es selbst bei den kleinsten Maßnahmen große Proteste.
Keine merklichen Einschränkungen für Segler
Wer die Maßnahmen genau durchliest, dem fällt schnell auf, dass es eigentlich keine großen Einschränkungen für Segler gibt. Nur zwei Punkte betreffen Segler überhaupt und das auch nur in den drei Schutzgebieten in der Geltinger Bucht, der Sagasbank östlich Fehmarn und am Stollergrund.
- Von November bis Ende März dürfen Rastvogelschwerpunkte in den neuen Naturschutzgebieten nicht befahren werden, also dann, wenn fast alle Schiffe im Winterlager sind. Wer in dieser Zeit segeln gehen will, der kann das tun, nur nicht dort. Wo ist das Problem und wen betrifft es überhaupt? Wie viele Segel sieht man im Winterhalbjahr da draußen?
- Auf Seegraswiesen, die ausgewiesen werden, darf künftig nicht mehr geankert werden. Wer im Mittelmeer zum Beispiel auf den Balearen unterwegs ist, kennt diese Vorschriften bereits seit längerem.

Das, was da vor kurzem vorgestellt wurde, ist also für Segler völlig harmlos. Und ja, sicher gibt es den ein oder anderen, der in den vergangenen Jahren mal im Februar über den Stollergrund gesegelt ist. Das geht dann halt nicht mehr. Es gibt ja noch genügend Wasserfläche, die befahren werden darf, denn nur 4,5 Prozent der Ostseefläche ist von den Maßnahmen betroffen. Ist es so eine Zumutung, einen anderen Weg zu nehmen?
Nimbys zur See
Die Bezeichnung Nimby ist die Abkürzung von “Not in my backyard”. Damit werden Menschen beschrieben, die Maßnahmen nur dann begrüßen, wenn sie selbst nicht davon betroffen sind. Man kennt das: Strom aus Windkraft gerne, aber nicht in unserer Nähe. Oder auch: Klimaschutz gerne, aber sollen doch Länder wie Indien damit anfangen.
Die Diskussionen um den Aktionsplan Ostseeschutz haben wieder einige Nimbys zu Tage geführt. Wütend versal geschriebene Kommentare, man solle doch bei der Landwirtschaft und den Fischern anfangen (wird übrigens gemacht), gemischt mit den üblichen Wortkombinationen aus “links”, “gün” und “versifft”. Meeresschutz ja – aber bitte nicht in meinem Fahrtgebiet.
Wenn man sich einige Kommentare mal genau durchliest und das ganze seemännisch betrachtet, sind manche Menschen offenbar nicht in ganz der Lage, ein Boot verantwortungsvoll zu führen. Denn oberstes Gebot ist es, die See zu respektieren. Und dummerweise gehört zur See nicht nur die silbrig schimmernde Wasseroberfläche, sondern der viel größere Teil darunter, den wir alle nicht sehen.
Der Nimby, der sich aufregt, dass er nun seine Libelingsankerbucht nicht mehr aufsuchen darf, weil dort eine Seegraswiese ist, regt sich sicherlich auch auf, denn der Maulwurf seinen Rollrasen daheim kaputt macht. Es ist geradezu absurd, einerseits genervt zu sein, wenn der Anker nach dem Aufholen voller Seegras ist, welches mühevoll aus Kette und Flunken entfernt werden muss aber andererseits nicht zu sehen, was so ein Anker da unten, wo Lebensraum ist, alles zerstören kann.

Ja, sicherlich sind Segler nicht hauptverantwortlich für den Zustand der Ostsee. Aber auch wir Segler haben unseren Anteil daran, dass das Meer krank ist. Zwar mag der geringer sein als andere Faktoren, aber auch für Segler werden Rinnen und Zufahrten ausgebaggert. Man muss sich nur mal eine Schwimmbrille aufsetzen und am Strand mal im Wasser nach unten auf den Sandboden schauen, dann weiß man, dass mit jedem ausbaggern auch viele Lebewesen weggebaggert oder verscheucht werden. Biozide aus Antifoulings, Rückstände von Öl, Diesel, Benzin, unser Schwarzwasser, Müll und so weiter belastet die See. In Deutschland gibt es etwa 500.000 Sportboote. Niemand kann sagen, wie viele davon auf der Ostsee liegen. Aber selbst wenn es “nur” 100.000 sind – da fällt sehr viel Belastung an.
In der Diskussion um die strengeren Regeln in Dänemark bezüglich der Antifoulings las ich gerade wieder so einen typischen Nimby-Kommentar: “Wir werden eingeschränkt und 100 Meter weiter verklappt die Berufsschifffahrt ihren Mist”. Das ist Nimby pur plus Whataboutism. Damit kommen wir nicht weiter.
Ich liebe die Ostsee. Ich habe schon viele Meere gesehen und erlebt aber das Mare Balticum ist mein Lieblingsmeer. Es tut mir weh zu sehen, dass sie so leidet. Und ich bin jederzeit bereit, viele Opfer zu bringen, um einen winzigen Teil beizutragen, ihr zu helfen.
Ich finde, diese Maßnahmen bedeuten für Segler noch nicht einmal große Opfer. Dann kauft man halt ein anderes Antifouling oder nimmt ein Silikon-Coating. Dann segelt man im Dezember halt mal nicht entlang der Geltinger Bucht. Wo ist eigentlich das Problem?
Jeder, der Freude an der Ostsee hat, sollte mitmachen, ihr zu helfen, sie zu schützen und ihr etwas mehr Möglichkeiten gestatten, sich zu erholen. Wer aber mit dem Meeressschutz an seinem Boot halt macht, hat die Ostsee meiner Meinung nach nie geliebt, sondern nur sich selbst.

Schreibe einen Kommentar zu Michael Walther Antworten abbrechen