Luise Wanser und Philipp Autenrieth haben ein Rennen vor Schluss die 470er WM gewonnen, 28 Jahre nach dem letzten deutschen Erfolg. Beim Medalrace blieb die zweite mögliche DSV-Medaille aus.
Die Regatta-Sieger wollten nicht glauben, dass sie die Regatta schon vor dem gewonnen haben. Aber allmählich wurde das Lächeln breiter, als sie an den Strand von Sdot Yam traten. „Ich kann nicht glauben, dass das wirklich passiert“, grinste Wanser. „Ich werde wohl ein paar Tage brauchen, bis ich es wirklich begreife.“
Dabei hatte ihr kleiner Glückstrick wieder funktioniert. Jeden Tag segelte auf dem Wasser andere Lycra-Leggins. Und am entscheidenden vorletzten Renntag traf sie eine besondere Wahl. „Ich trug Leggins, mit denen ich 2019 die Youth Worlds gewann“, lacht Wanser.
In einer ersten Reaktion schreibt das neue Erfolgsduo. „Wir haben die Weltmeisterschaft der 470er gewonnen! Unglaublich, aber haben wir es geschafft!! Der erste Lauf war unser schlechtestes Ergebnis, da wir waren nur auf Platz 21 … Aber das war ein echter Wachmacher, rückblickend sogar der Aufreißer – denn dann lief es. Und wenn es einmal läuft, dann läuft es! Mit den Plätzen zwei und eins in den beiden folgenden Rennen am ersten Tag übernahmen wir sogar die Führung. Tags darauf gewannen wir erneut eines der beiden Rennen, zogen als Tabellenführer in die Gold-Fleet ein.
Drei Tage mit je zwei Rennen bei anspruchsvollen Bedingungen folgten. Wir leisteten uns keinen weiteren Ausrutscher. Entscheidend war wohl der Tagessieg im vorletzten Rennen, der uns zwischenzeitlich einen Vorsprung von 25 Punkten „bescherte“. Im letzten Rennen der Gold-Fleet konzentrierten wir uns dann auf unsere verbliebenen direkten Konkurrenten – und sicherten einen Vorsprung von 22 Punkten. Damit lagen wir weiter auf Rang eins – uneinholbar vor dem Medal Race!
Der Titel ist für uns unermesslich wertvoll. Denn auch wenn Olympia das Maximum ist, ist bei einer WM die Konkurrenz ja viel größer. Die 60 besten Teams der Welt waren in Israel dabei. Die viele Arbeit, die vielen Trainingsstunden, die wir in den vergangenen 12 Monaten in unsere Kampagne gesteckt haben, haben sich hier wunderbar ausgezahlt. Wir sind noch völlig geflasht !!! Unglaublich! Auf dem Weg zu unserem Ziel – eine Medaille bei Olympia 2024 – sind wir damit sicher ein sehr großen Schritt weiter.“
In der DSV-Meldung heißt es:
„Das German Sailing Team segelt weiter auf goldener Erfolgswelle: Luise Wanser und Philipp Autenrieth sind Weltmeister in der neuen olympischen 470er-Mixed-Disziplin. In Israel katapultierten sich die Steuerfrau vom Norddeutschen Regatta Verein und ihr Vorschoter vom Bayerischen Yacht-Club nach herausragender Serie auf den höchsten Podestplatz. Sie agierten so stark, dass sie schon vor dem Medaillenrennen nicht mehr zu schlagen waren.
Dass die 25-jährige Luise Wanser und der 32-jährige Philipp Autenrieth im Finale noch einen Crash hinnehmen mussten, bei dem ein italienisches Team ihnen die Backbord-Heckecke „abrasierte“, tat der überschäumenden Freude keinen Abbruch mehr. Die Welttitelkämpfe mit 60 Teams aus 20 Nationen dominierte das norddeutsch-bayerische Duo in der Endabrechnung mit elf Punkten Vorsprung vor den spanischen Vizeweltmeistern Jordi Xammar und Nora Brugman. Bronze gewannen Camille Lecointre und Jérémie Mion aus Frankreich.
Mit Schwester und Bruder durchgestartet, jetzt auf dem Gipfel
„Ich wollte immer Weltmeisterin werden. Rein segeltechnisch betrachtet, ist es mit Blick auf die große Flotte der 60 besten Teams der Welt die größte Leistung“, sagte Luise Wanser, die als erste deutsche Seglerin Mixed-Gold im olympischen Segelsport gewann. Wie Philipp Autenrieth mit seinem Bruder Julian, so war auch Luise Wanser einst mit ihrer Schwester Helena im 470er gestartet. Für den Vorschoter erfüllte sich ebenfalls ein langgehegter Traum: „Ich bin 2009 mit meinem Bruder in der 470er umgestiegen. Unglaublich, dass wir jetzt 13 Jahre später den Titel feiern können.“
DSV-Coach Steve Lovegrove attestierte seinen Schützlingen eine „fantastische Serie“. Der britische 470er-Mixed-Trainer sagte: „Die beiden haben vor einem Jahr begonnen. Alles bis hierhin war die Vorbereitung auf diesen Höhepunkt. Man kann so ein Ergebnis nicht erwarten, aber hart dafür arbeiten. Das wurde jetzt fürs ganze Team belohnt.“
Luise Wanser: „Das hier ist ein unheimlicher Teamerfolg“
Philipp Autenrieth dankte auch den anderen deutschen Crews der Segelnationalmannschaft: „Ohne sie, ohne das German Sailing Team und ohne unser sehr intensives Wintertraining in Lanzarote wären wir nicht da hingekommen, wo wir jetzt stehen.“ Auch Luise Wanser weiß: „Das hier ist ein unheimlicher Teamerfolg. Wir hatten die ganze Saison das Privileg, immer mindestens zwei, drei deutsche Boote beisammenzuhaben. Wir mussten uns nicht nach internationalen Sparring-Partnern umsehen, konnten unser Ding machen.“
Nach dem WM-Triumph von iQFOiL-Weltmeister Sebastian Kördel (NRV) vor einer Woche wird das NRV Olympic Team ein zweites Mal seine Goldprämie von 50.000 Euro für Weltmeistertitel oder Olympiasiege ausschütten. Luise Wanser dankte ihrem Verein und sagte: „Es hat mich enorm motiviert, dass Sebastian am vergangenen Woche Weltmeister geworden ist. Er ist der Freund meiner Schwester und ich habe mir gedacht: Wenn er das schaffen kann, dann können wir das auch.“
Philipp Autenrieth: „Die Pumpbedingungen haben enorme Kraft gekostet“
Trotz großem Vorsprung am Ende war die WM für Wanser/Autenrieth alles andere als ein Spaziergang. Philipp Autenrieth erklärt: „Es war schon sehr, sehr anspruchsvoll. Die ganze Zeit herrschten Pumpbedingungen, die extrem viel Kraft gekostet haben. Wir haben alles gegeben und es lief gut zusammen.“ Luise Wanser stimmt ein: „Es war nicht leicht, vor allem nicht für die Vorschoter. Wir sind taktisch und strategisch sehr gut gesegelt. Unser Sieg zeigt, dass es sich gelohnt hat, im vergangenen Jahr direkt durchzustarten. Auch, wenn ich mein Studium noch zu Ende bringen musste und Philipp mich in der Zeit sehr entlastet hat.“
Für die 470er-Klasse ist es das erste WM-Gold seit dem Sieg von Ines Bohn und Sabine Rohatzsch 1994. Bei den 470er-Männern war zuletzt Ausnahmesegler Wolfgang Hunger 1991 mit Rolf Schmidt zu seinem zweiten WM-Sieg gesegelt. Im 470er-Mixed wird die Klassengeschichte nun neu geschrieben.
Simon Diesch: „Wir haben uns als Team intensiver und akribischer auf die WM vorbereitet als die anderen Nationen“
Das enorme Leistungsvermögen der 470er-Mixed-Crews im Deutschen Segler-Verband unterstrichen Simon Diesch und Anna Markfort (Württembergischer Yacht-Club/Joersfelder Segel-Club/Verein Seglerhaus am Wannsee) mit Platz fünf. Simon Diesch sagte: „Die Vorzeichen standen schon vor der WM auf positiv. Ich glaube, wir haben uns als Team intensiver und akribischer auf die WM vorbereitet als alle anderen Nationen. Luise und Philipp haben den WM-Titel mit ihrer Dominanz in dieser Woche hochverdient.“
Mit Blick auf Olympia 2024 und die anstehende nationale Ausscheidung um nur einen Olympiastartplatz im 470er-Mixed sagte Diesch: „Das wird sicher eine spannende, beinharte Quali. Aber dafür betreiben wir Leistungssport. Wer sich da durchsetzen wird, dürfte ein hoher Medaillenkandidat für die Spiele sein.“ Zu diesen Kandidaten zählen auch Malte und Anastasiya Winkel (Schweriner Yacht-Club/Norddeutscher Regatta Verein). Das segelnde Ehepaar erkämpfte mit Rang zwei im Medaillenfinale noch WM-Platz sechs.
Nadine Stegenwalner: „Der Hammer, was Luise und Philipp geleistet haben“
DSV-Sportdirektorin Nadine Stegenwalner sagte: „Es ist der Hammer, was Luise und Philipp geleistet haben! Wir gratulieren sehr, sehr herzlich. Wir haben Weltmeister, drei Boote im Medaillenrennen, insgesamt vier in den Top 15. Die herausragende Gesamtleistung zeigt, wie gut gearbeitet wurde. Das gilt für das Gesamtpaket von Seglerinnen und Seglern, Trainern, Vereinen und allen Unterstützern.“ Das German Sailing Team gewann auch die WM-Nationenwertung vor Frankreich.
Weiter sagte Nadine Stegenwalner: „Wir haben bei Olympia 2024 fünf neue olympische Disziplinen im Einsatz. Das sind 50 Prozent aller olympischen Segeldisziplinen. Die Umstellungen haben enorme Herausforderungen mit sich gebracht. Die aktuellen Ergebnisse zeigen, dass wir auf sehr gutem Kurs sind. Sie bestätigen das große Engagement der Athleten und sind eine ideale Motivation für das gesamte Team.“
Das Medalrace verlief für die DSV-Crews nicht ganz nach Plan. Wanser/Autenrieth zeigten zwar einen starken Leestart und mussten nur hinter Marco Gradoni passieren, dem besten Optimist-Segler aller Zeiten, der dreimal hintereinander den WM-Titel holte und deshalb zum Weltsegler des Jahres 2019 gekürt wurde. Aber dabei gab es eine Kollision und die Deutschen drehten einen Strafkringel. Außerdem zog die rechte Seite besser. Die Deutschen wurden in dem für sie bedeutungslosen Rennen Letzte.
Ärgerlicher gestaltet sich das Medalrace für Simon Diesch und Anna Markfort, die mit besten Medaillenchancen in das Finale starten. Auf Platz Fünf fehlt ihnen nur ein Punkt zu den Spaniern auf dem Bronze-Platz und 7 Punkte zu Silber. Das holt sich schließlich der SailGP-Steuermann Xammar mit Nora Brugman mit einem umkämpften Medalrace-Sieg.
Die Deutschen waren trotz eines suboptimalen Starts bis zur Luvtonne im Rennen um Edelmetall. Aber dieser Lauf entschied sie auf der ersten Anliegelinie zur Tonne. Sie schienen in den Top vier runden zu können, mussten aber zu sehr quetschen und verpassten schließlich die Layline. Am Ende gingen sie als letztes Boot auf die Vorwindstrecke und holten nur noch drei Boote ein.
Positiver geriet der Abschluss für Familie Winkel. Malte und Anastasiya segelten auf Rang zwei und schossen von Platz zehn auf sechs nach vorne – auch weil die Japaner ihren Protest im 12. Rennen noch verloren.
Eine starke erste Vorwindstrecke verhalf ihnen zu Rang zwei. Und als sich die Österreicher Vadlau/Mähr bei der zweiten Luvtonnen-Passage noch einen Penalty einfingen und zwei Boote verloren, war der Weg frei zu einem starken 6. Platz. Österreich wurde 8.
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