Kevin Escoffier wird am Wochenende in Lorient den ersten Neubau-IMOCA der neuesten Generation zu Wasser lassen. Was er nach seiner dramatischen Rettung bei der vergangenen Vendée Globe gelernt hat.
Die Segelwelt zitterte mit Kevin Escoffier (42) als seine Yacht bei der vergangenen Vendée Globe auseinanderbrach und versank, vier Skipper – auch Boris Herrmann – suchten ihn in der Rettungsinsel und Jean Le Cam wurde schließlich fündig.
Escoffier sprang dem Tod von der Schippe, aber das hält ihn nicht davon ab, es erneut zu versuchen. Während er von Sponsor PRB für die vergangene Regatta spät ein gebrauchten IMOCA mit nachgerüsteten Foils erhielt und sich damit bis zum Unfall in der dreiköpfigen Spitzengruppe hielt, kann er diesmal deutlich geplanter an die Aufgabe herangehen. PRB finanziert ihm einen Neubau. Der kommt am Wochenende als erster IMOCA der neuesten Generation ins Wasser. Und damit startet Ecoffier eine Kampagne, die ihn zu einem der großen Favoriten der nächsten Welt-Regatta macht.
Denn der Franzose will das Image des Bruchpiloten schnell ablegen. Ein Siegertyp ist er längst seit er Erfolge bei der Jules-Verne-Trophy (2012 „Banque Populaire V”) und dem Volvo Ocean Race (2018, Dongfeng Team) feierte. Aber er glaubt, dass es trotz seines späten Einstiegs in die IMOCA-Klasse auch im Shorthand-Modus klappt. Schließlich segelte er 2019 die alte PRB beim Rolex Fastnet Race zusammen mit Nicholas Lunven auf Anhieb zu Rang zwei hinter der neuen „Charal“. Und ebenso absolvierte er die Transat Jacques Vabre 2019 als Zweiter hinter Charlie Dalin und Yann Eliès auf APIVIA.
„Wir haben in der Klasse anderthalb großartige Jahre erlebt und daran möchte ich anknüpfen“, sagt Escoffier bei einer aktuellen Pressekonferenz. „Mit dem neuen Boot werde ich vorne segeln können.“
Die Vendée Globe sei erst seine zweite Einhandregatta gewesen und viele glauben nun, dass der Untergang seines Bootes das Selbstvertrauen beschädigt hätte. Aber er sagt: „Das Gegenteil ist der Fall. Um ehrlich zu sein, haben mir die ersten drei Wochen der Vendée Globe, als ich mit dem alten Boot auf Platz drei lag, das Vertrauen gegeben, dass ich in der Lage bin, einhand an der Spitze der Flotte zu segeln.“
1,5 Millionen Euro gespart
Er glaubt, das neue Boot versetze ihn noch mehr in diese Lage bei der nächsten Vendée Globe. Das halbfertige Guillaume-Verdier-Design aus dem Jahr 2020, das er für das PRB-Team übernehmen konnte, solle dafür eine starke Basis liefern. Es wurde für einen amerikanischen Eigner gebaut, der damit eigentlich mit Crew bei The Ocean Race mitmachen wollte. Aber das Projekt scheiterte und im Vergleich zu einem Neubau habe er seinem Sponsor rund 1,5 Millionen Euro sparen können.
Allerdings hätte der IMOC erheblich am Bug und im Cockpit modifiziert werden müssen, um ihn konkurrenzfähig zu machen. Dafür ist Escoffier als erster der neuen IMOCA-Piloten im Wasser und er glaubt, dass er die damit verbundene längere Testphase dazu nutzen kann, auch im Jahr 2024 im Vergleich zu den Neuentwicklungen einen Vorsprung behaupten zu können.
„Wir haben ein komplett neues Design entworfen, auch wenn der Rumpf ursprünglich von 2020 ist. Wir haben das Vorschiff auf viereinhalb Metern nach vorne völlig verändert. Vorher hat Guillaume Verdier 23 Bug-Versionen konstruiert und im Rechner getestet – es war viel Arbeit.“
Das Cockpit wurde verändert, um es für den Einhandbetrieb zu optimieren. Und mit der aktuellen Foil-Version soll ein sehr vielseitiges Boot entstanden sein. „Wir haben bei früheren Vendée Globes gesehen, dass man ein zuverlässiges Boot braucht, das man sehr gut kennen muss. Es kommt darauf an zu wissen, wie hart man es segeln kann. Ich denke, dass wir bei der nächsten Vendée Globe eines der fünf schnellsten Boote haben werden.“
Wie geht man mit Problemen an Bord um?
Die Zuverlässigkeit ist ein großes Thema bei Escoffier. Er habe mit seinem neuen PRB-Shore-Team schon jetzt hart daran gearbeitet. „Ich habe drei IMOCAs und drei Ultimes gebaut und weiß, dass es auch dann Probleme geben kann, wenn man vorher alles versucht, ein zuverlässiges Boot zu haben. Die Frage ist nicht, ob wir Probleme haben werden, sondern wie man mit ihnen umgeht. Wie trifft man die richtigen Entscheidungen, um sie zu reparieren. Wie kann man auch von Land aus Lösungsmöglichkeiten prüfen und helfen?“
Escoffier ist stolz, PRB zu vertreten, dem treuesten, kommerziellen Sponsor in der IMOCA-Geschichte. Seit 30 Jahren unterstützt er ununterbrochen große Segler der Klasse. Darunter Isabelle Autissier und die aufeinanderfolgenden Vendée-Globe-Sieger Michel Desjoyeaux und Vincent Riou. Escoffier erinnerte sich daran, dass der PRB-Präsident Jean-Jacques Laurent, ihm direkt nach der Rettung im Südmeer noch auf dem Boot von Le Cam mitgeteilt hatte, dass das Sponsoring mit einem neuen Boot fortgesetzt würde.
Die erste Regatta der neuen „PRB“ soll schon im Juni die Vendée Arctique sein. Aber die Teilnahme hänge davon ab, wie die ersten Tests mit dem Boot verlaufen. Sollte es Kinderkrankheiten geben, könnte sich das Debüt bis zur Défi Azimut-Lorient im September verzögern. Das große Ziel ist aber die Route du Rhum Anfang November mit Start in St. Malo – Escoffiers Heimatstadt.
The Ocean Race ein Thema
Zeitlich und strategisch hält Escoffier auch die Teilnahme bei The Ocean Race für eine gute Idee. Seine Verbindung zu dieser Regatta ist eng. Mit dem Dongfeng Race Team von Charles Caudrelier war er zweimal dabei und gewann 2017/18. Er wäre wohl gerne dabei.
„Wir haben nicht viele Gelegenheiten, mit diesen Booten im Southern Ocean zu segeln. Es wäre eine großartige Gelegenheit, das Boot bei diesen Bedingungen zu kennenzulernen und mit einer kompletten Crew zu segeln. Durch die Teilnahme am Volvo Ocean Race habe ich gelernt, dass dies der beste Weg ist, um zu lernen, wie man das Potenzial eines Bootes voll ausschöpfen kann. Aber es wird von PRB abhängen und davon, ob und wann ein Co-Sponsor gewonnen werden kann.“
Der verheiratete Vater von zwei Kindern freut sich, auch nach dem Untergang erneut einen IMOCA zu besteigen. Druck von der Öffentlichkeit verspürt er nicht. „Ich selbst bin die Person, die den größten Druck ausübt. Ich bin es, der ein gutes Ergebnis anstrebt. Dafür lebe ich.“
Quelle: IMOCA-Klasse
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