Ein schwedisches Konsortium will in vier Jahren den ultimativen Frachtsegler auf den Markt bringen. Er soll wirklich segeln. Mit einem Durchschnitt-Speed von zehn Knoten.
Die schwedische Reederei Wallenius Marine hat ein Update zum von ihr geleiteten Oceanbird-Projekt gegeben, über das SegelReporter Anfang April berichtete. Demnach handelt es sich bei dem segelnden Frachter offenbar um mehr als nur eine der vielen futuristischen Designstudien, die wenig Chancen auf Realisierung haben.
Unter anderem hat die schwedische Verkehrsbehörde Trafikverket 27 Millionen Kronen (etwa 2,6 Millionen Euro) Fördermittel bereitgestellt, und das erste Schiff soll schon in vier Jahren vom Stapel laufen.
Mehr als 80 Prozent der globalen Frachtmengen werden per Schiff transportiert. Deshalb sind die Potenziale für Maßnahmen zum Schutz von Umwelt und Klima besonders groß. Und in der Branche wird das Segel-Projekt der Schweden genau beobachtet. Dabei spielt insbesondere die Gesetzgebung eine Rolle, ob sich saubere und effiziente Lösungen durchsetzen können. Zuletzt zeichnete sich ab, dass die Frachtschifffahrt unter immer größeren Druck gerät, klimafreundliche Vortriebskonzepte präsentieren zu müssen.
80 Meter hohe Masten
Bei den Gedankenspielen und Entwicklungen spielten zuletzt Hybrid-Lösungen eine große Rolle, indem die Windkraft zur Spritersparnis genutzt wird. Zum Beispiel mit Flettner-Rotoren, einem Rumpf als Segel oder Drachen. Die Schweden dagegen wollen ein echtes Segelschiff bauen.
Der Autotransporter mit einer Kapazität für 7.000 Fahrzeuge soll gleich 90 Prozent weniger Kohlendioxid ausstoßen als ein vergleichbarer aktueller Frachter. Er ist mit einer Länge von 200 Metern Länge geplant und wird mit echten Flügelsegeln bestückt, die 80 Meter in die Höhe reichen.
Dabei ist von vornherein eingeplant, dass die Geschwindigkeit geringer ist als bei der aktuellen Konkurrenz. Eine Nordatlantiküberquerung ist mit zehn Knoten Durchschnitt-Speed berechnet und soll etwa zwölf Tage in Anspruch nehmen. Das sind vier Tage mehr als konventionelle Schiffe zurzeit benötigen. Der Motor soll nur für den Betrieb in Häfen und zur Unterstützung bei sehr schwachem Wind eingesetzt werden.
Wachsende Nachfrage
Per Tunell, Chief Operating Officer bei Wallenius Marine, sagt in der Online-Pressekonferenz, er sei sich anders als noch zu Beginn der Projektarbeit vor fünf Jahren nun zu hundert Prozent sicher, dass das Schiff Wirklichkeit werden werde. Der Markt sei jetzt bereit dafür. „Wir sehen eine wachsende Nachfrage nach nachhaltigen Lösungen und alle Beteiligten bewegen sich auf einer Linie.“
Außerdem sei die Technologie nun bereit. Oceanbird habe die Designversion 3.0 erreicht. Es gebe immer noch große Herausforderungen, und möglicherweise passe die Radikalität nicht zu den derzeitigen Transportsystemen. Aber das werde sich ändern.
Das Schiffsdesign sei eigentlich für alle Transporte geeignet, aber vorerst werde man sich auf den Transport von Autos auf der Nordatlantikroute konzentrieren. Dabei wird der erste Oceanbird ein RoRo-Schiff, transportiert also alles, was auf Rädern oder auf einem Anhänger steht.
Insbesondere die Planung der festen Tragflächen-Riggs ist eine komplexe Aufgabe. Sie ähneln den festen Flügeln, die 2017 beim America’s Cup zum Einsatz gekommen sind und aktuell die SailGP-Katamarane zu den schnellsten Seglern der Welt machen.
Bloß keine Krängung
Die Riggs müssen mit dem Rumpf zusammenarbeiten. Wallenius will ein echtes Segelschiff bauen, nicht nur auf einem bestehenden Design Flügel aufsetzen. Der leitende Schiffbauingenieur Carl-Johan Söder sagt: „Wenn man einen Rumpf optimiert, ist es normalerweise oberste Priorität, den Widerstand zu minimieren. Bei diesem Schiff müssen wir aber auch auf die großen Querkräfte achten, die von den Tragflächenriggs erzeugt werden. Wir erreichen das mit einer Reihe beweglicher Flügel, so dass sich der Rumpf ohne Krängung durch das Wasser bewegt.“ Die Flügel sollen sich um 360 Grad drehen können, um ihre Position optimal an den Windwinkel anzupassen.
Problematisch bei den Berechnungen sei die große Höhe der Riggs. In 100 Metern weht der Wind oft anders, und dieser Bereich sei noch nicht so gut erforscht. Man habe viele Messungen vornehmen müssen, um das Boot darauf vorzubereiten, was in diesem Teil der Atmosphäre geschieht.
Inzwischen haben die Ingenieure ein sieben Meter großes Modell gebaut, das mit vier Masten versehen werden soll und ferngesteuert wird, um die Segelleistung zu testen.
Über die Kosten des Schiffes im Verkauf ist noch wenig bekannt. Aber wenn es sich für Reeder lohnen soll, darf es nicht deutlich teurer sein als ein aktueller RoRo-Frachter. Genau das soll laut Tunell der Fall sein. Die Rentabilität ergebe sich dann schnell durch die Treibstoff-Ersparnis.
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