Team Malizia beim Champagner-Segeln in den südlichen Breiten © seaexplorer/malizia9.3. – 12 Uhr: Es war von vornherein klar, dass die (laufende) dritte Etappe des Ocean Race das Key-Event der gesamten Weltumseglung wird: Länge (theoretische 12.750 Seemeilen), Zeit (40 Tage waren angepeilt), Seegang (ungewöhnlich hoch) und Wetterkapriolen (von Sturm zu Flaute und zurück in den Sturm) gestalten das Leben an Bord sportlich – gelinde gesagt.
Wohl noch nie bei einem Team-Rennen waren die Crews derart eng zusammengepfercht auf derart „bockenden“ und ohrenbetäubend lauten Rennmaschinen in den südlichen Breitengraden unterwegs.
Hinzu kommt, dass die IMOCA im Vergleich zu den Vorgänger-Booten VO65 ausgesprochen filigran wirken und entsprechend anfällig sind: Guyot mit dem Co-Skipper Robert Stanjek musste die dritte Etappe wegen Laminat-Schaden im Rumpf abbrechen, Team Malizia mit Skipper Boris Herrmann reparierte heldenhaft einen Riss im Mast und in den letzten Tagen erwischte es das 11th Hour Racing Team mit einem Segelschaden und Rissen im Ruder.
Speed rausnehmen
Niall Myant-Best berichtet in der Ocean Race-Show, was es für ein Team wie 11th Hour Racing bedeutet, wenn ein Vorsegel ausfällt. Und wie schwierig es sein kann, einen simplen Klebstoff auf ein Segel aufzubringen. Und überhaupt: Was ist mit diesen Rissen im Ruder des einzigen IMOCA, der in erster Linie für genau dieses Rennen gebaut wurde?
Amery Ross berichtet direkt von Bord: „Jack (Bouttell) sah sich das Luv-Ruder an – das aus dem Wasser ragt – und fand einen Riss. Er war ziemlich lang, von vorn nach hinten, auf halber Höhe auf der Außenbordseite.

Ein weiterer, viel kleinerer Riss befand sich näher an der Aufhängung, also dort, wo das Ruder auf das Boot trifft; ein wichtiger Punkt, denn die Spitze eines Ruders zu verlieren ist eine Sache, das ganze Ruder aber eine andere. Juju (Justine Mettraux) schlug sofort vor, das Backbordruder zu überprüfen, also wurde das Steuerbordruder herunter- und das Backbordruder hochgefahren. Kein langer Riss in der Mitte, aber ein größerer an der Spitze, an der gleichen Stelle wie das Steuerbordruder.“
Nach den ersten Katastrophen (Aufgabe Guyot) und Pit-Stopps auf Hoher See (Malizia und 11th Hour Racing), nähern sich nun die drei „Jäger“ wieder dem führenden IMOCA Holcim PRB mit Skipper Kevin Escoffier.
Nachdem die drei Verfolger teils zwischen 500 und 600 Seemeilen Rückstand auf Holcim verbuchen mussten, haben sie die Distanz während der letzten Tage mittlerweile mehr als halbiert: Mit Stand heute Morgen sind die Zweitplatzierten Biotherm 206 sm von der Renn-Spitze entfernt, Team Malizia nahezu gleichauf, rechnerische 11 Seemeilen dahinter.
Und: Das 11Th Hour Racing Team scheint wieder im Rennmodus zu sein: derzeit schnellster Speed der Flotte mit 21,9 kn, 20 Seemeilen hinter Malizia.
Ritt vor der Front
Apropos Biotherm. Das Team glänzt derzeit nicht nur mit cooler Perfomance als Anführer der Verfolger, sondern auch mit einem beeindruckenden Drohnen-Video aus den unendlichen Weiten des Ozeans. Prädikat: Höchst beeindruckend.
Überhaupt ist die Stimmung nach harten Tagen im Seegang auf Biotherm nun wieder besser, wie Sam Davies berichtet: „Der Wind hat auf Nord gedreht und wir haben über Nacht eine Halse gesetzt, und jetzt laufen wir direkt vor einer Front und der Wind wird zunehmen.“
Sie berichtet über Satellit: „Wir haben das Boot überprüft und kleinere Arbeiten erledigt, die bei stärkerem Wind unmöglich sind. Wir machen das Beste aus den ruhigen Bedingungen, wo das Leben an Bord viel einfacher ist, um zu schlafen und zu essen und sicherzustellen, dass alle Systeme für die nächste Woche funktionieren, denn wir werden das Boot bis nach Tasmanien in den Hafen schicken. Die Stimmung an Bord ist so gut wie immer – ich benutze meine Kopfhörer, um das Lachen aus dem Cockpit zu übertönen … !“
Die Verfolger kontrollieren
Die Führenden Holcim-PRB haben sich weit nach Süden abgesetzt, weil das Team immer wieder auf leichtere Windbedingungen stieß, was Skipper Kevin Escoffier schon seit einigen Tagen Sorgen bereitet.
Er musste mit ansehen, wie Biotherm und die anderen Verfolger in den vergangenen drei Tagen fast 100 Seemeilen von seinem Vorsprung wettmachten. Strategisch richtige Entscheidung also: Direkt vor die Verfolger legen. Wenn man dadurch auch rechnerische Seemeilen einbüßt, behält man doch die Kontrolle.
Unterwegs mit „Air Malizia“
Wer wissen will, wie Champagner-Segeln unter idealen Bedingungen aussieht, sollte an Bord der „Air Malizia“ kommen. Aber Achtung: Selbst fern aller Landmassen sind gewisse Vögel doch ausgesprochen neugierig, wenn ihre „Lufthoheit“ bedroht scheint.
Last, not least: Die IMOCA-Klasse hat ein Video online gesetzt, das sich mit den Shore-Arbeiten an den Booten in Kapstadt beschäftigt. Interessant bis spannend…
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8.3.2023 // 12 h
Cooles Video: Ocean Race im Southern Ocean! Was waren sie nicht alle „scharf“ auf die irre lange dritte Etappe entlang der Antarktis. Doch nun finden die (verbliebenen) Helden und Heldinnen dieser Crew-Weltumseglung den „Great South“ alles andere als glorreich.
Das Video zeigt eindrücklich die harten Bedingungen an Bord und wie schwer es doch sein muss, sich dabei noch auf das Rennen als solches zu konzentrieren.
https://www.youtube.com/watch?v=spiyOZnM9PQ
Videozusammenfassung
3.3. – 9:50 Uhr:
Ausführliche Reparaturbeschreibung
3.3. – 7:20 Uhr: Das Team hat eine ausführliche Beschreibung der Reparatur veröffentlicht: Wir haben sie für euch übersetzt.
Reparatur durchgeführt
3.3.- 6:45 Uhr: Entgegen unsere ersten Infos hat nun doch Will Harris gestern noch die Laminierarbeiten durchgeführt. Heute muss geschaut werden, ob alles so geglückt ist, dass der Mast wieder voll belastet werden kann. Daumen Drücken!
Vorbereitung für das Laminieren

2.3. – 15:30 Uhr: Will Harris hat die Stelle rund um den Riss im Mast angeschliffen und soweit vorbereitet. Die Laminierarbeiten übernimmt Rosalin Kuiper.

Derweil haben Boris und Rosalin auch schon Prepregs vorbereitet, die dann oben im Mast den Riss überdecken sollen. Angeblich soll die Reparatur ausreichen, um den Mast anschließend wieder zu 100 Prozent zu belasten.

Die Prepregs sind vorimprägnierte Fasern, sodass Rosalin im Mast nicht noch mit der Laminierrolle hantieren muss. Normalerweise werden Prepregs unter Druck und Wärme ausgehärtet. Mal sehen, wie sie das Problem lösen werden. EDIT: Es sind doch keine Prepregs. Rosalin tränkt die Maten kurz vorher und schick sie zu Will in de Mast!

Will Harris im Mast
2.3. – 15.00 Uhr: Aktuell hat sich der Seegang etwas beruhigt und Will Harris hat die Reparaturen aufgenommen. Nach dem Anschleifen soll Rosalin das Laminat aufbringen. Fingers Crossed!
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Emotionales Video von Bord – zu viel Seegang
2.3. – 14:30 Uhr: In einem neuen, knapp achtminütigen Video, gibt uns die Malizia-Crew einen Einblick ihr Gefühlsleben. Das Video beginnt mit der Entdeckung des Schadens, dem Aufentern von Rosalie und die anschließenden Besprechung, was der Schaden im Mast zu bedeuten hat. „Mit gebrochenem Masttopp können wir noch nach Hause segeln, wenn der ganze Mast nachgibt, können wir die nächsten 40 Tage mit Notrigg zu irgendeiner Pazifikinsel segeln“, sagt Boris in der Lagebesprechung. In der nachfolgenden Szene ist Boris sichtlich angegriffen und ringt mit seinen Gefühlen. Manchmal sagt ein Blick mehr als Worte. Ist das Abenteuer Southern Ocean schon vorbei?
Auch Navigator Nicolas Lunven sieht sehr geknickt aus, als er erzählt, dass sie die Reparatur wohl heute doch nicht schaffen. Der Wind sei zwar weg, aber die See beruhigt sich nur langsam. An ein Aufentern in den Mast ist noch nicht zu denken.
Die Videos von Bord kommen immer erst zeitverzögert an und beziehen sich noch auf den gestrigen Tag.
Nur Rosalin Kuiper schafft es noch positive Vibes zu verbreiten. „Es ist schön, nicht allein zu sein. Alleine wäre es ein absoluter Albtraum“, sagt Boris.
Ein Gruß aus dem Mast-Topp
2.3. – 9:50 Uhr: Die Stimmung lässt sich die Malizia-Crew nicht ganz verderben. Rosalin Kuiper schickt Grüße aus dem Masttopp – und hofft mit ironischem Lächeln, wenigstens einen Wal zu sehen, wenn sie schonmal so weit oben ist.
Die Reparaturen werden trotz der besserwerdenden Wind- und Seegangsverhältnisse bestimmt nicht einfach.
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Riss im Mast – Boris und Crew versuchen eine Reparatur

2.3. – 8:00 Uhr: Nach dem verlorenen Segel gestern erlitt die Crew bereits einen Dämpfer. Doch sie konnte sich weiter motivieren, da augenscheinlich keine Schäden festgestellt wurden. Doch gegen 12:00 Uhr UTC entdeckten sie einen Riss im oberen Teil ihres Mastes. Schnell schickten Rosalin Kuiper in den Mast. Der Schock musste tief sitzen: ein 30 Zentimeter langer Riss klafft im Kohlefasermast. Das Fall hat sich regelrecht in das Material gefressen.
Das Problem wurde sofort mit externen Konstrukteuren und Ingenieuren besprochen und ein Reparaturplan ausgearbeitet. Die Reparatur beinhaltet das Anschleifen der des Bereiches um den Mast und das Auflaminieren großer Flicken, um den gerissenen Bereich zu bedecken. Dadurch soll dem Mast die gleiche Festigkeit wie zuvor verliehen werden, so dass die Mannschaft nahezu ungehhindert weitersegeln kann. Falls die Mannschaft mit der Reparatur nicht zufrieden ist, kann sie mit reduzierten Segeln weitersegeln. Der Riss befindet sich etwa auf Höhe des ersten Reffs (Topp Großsegel 1. Reff).
Die Reparatur wird jedoch schwierig sein, da der 28 Meter lange Mast stark pendeln wird. Die Malizia-Crew nimmt an, dass die Reparatur mehrere Stunden dauern wird. Ihnen kommt zugute, dass hinter dem Tief ein Hoch saß, in dem sich das Schiff nun bei wenig Wind befindet.
Die Reparaturen scheinen bereits begonnen zu haben. Wünschen wir viel Erfolg!
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