Transat Café L’Or: Jérémie Beyous Sieg nach Leidensgeschichte – Warum Charal plötzlich so schnell ist

„Neuer Meilenstein erreicht“

Jérémie Beyou hat mit Morgan Lagravière überlegen die Transat Café L’Or in der IMOCA-Klasse gewonnen. Gut 120 Meilen vor den ärgsten Verfolgern kam das Duo ins Ziel. Dabei hatten sich in der Nacht Will Harris und Francesca Clapcich bei ihrem Endspurt einen überraschend soliden Vorsprung von 25 Meilen gegenüber der Vendée-Globe-Siegeryacht Macif erarbeiten können.

Seit der Vendée Globe fliegt Charal schneller und stabiler. © Charal

Lagravière kennt das Gefühl bereits, als IMOCA-Sieger auf Martinique anzukommen. Für ihn ist es der dritte Sieg in Folge bei dieser Regatta. Bei den vergangenen beiden Transats (TJV) puschte er Thomas Ruyant nach vorne. Diesmal sicherte sich Jérémie Beyou seine Dienste und wurde nicht enttäuscht.

(Charal fliegt bei 20 und 25 Knoten Wind im Durchschnitt zwischen 22 und 30 Knoten, als Beyou während der Café L’Or die Drohne herausholt Video). Hier ein älteres Video von der Course des Caps im Juli:

11 Tage und 19 Stunden verbrachten sie seit dem Start in Le Havre auf See. Dabei absolvierten sie die 4285 Seemeilen zwischen Le Havre und Fort-de-France auf der theoretisch direktesten Route mit einer Geschwindigkeit von 15,10 Knoten. Tatsächlich legten sie aber 5467 Seemeilen mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 19,27 Knoten zurück.

Beyou (l.) und Lagravière feiern in Fort-de-France auf Martinique. © Liot

Beyou und Lagravière verbrachten den größten Teil des Rennens entweder auf dem ersten oder dem zweiten Platz. Nach knappen Duellen mit Macif von Sam Goodchild und Loïs Berrehar sowie 11th Hour von Francesca Clapcich und Will Harris übernahmen sie am 2. November, gut hundert Meilen südlich der Kanarischen Inseln, die Führung und gaben sie nicht mehr ab.

Dabei kamen sie sogar dem Speed-Rekord für 24 Stunden sehr nahe. Am 3. November legten sie 609 Seemeilen an einem Tag zurück, was einem Durchschnitt von mehr als 25,3 Knoten entspricht. Das ist nahe dran am Einhand-Rekord von Sébastien Simon bei der Vendée Globe (615,33 Seemeilen). Mit Crew erreichte Boris Herrmann bei The Ocean Race 641,13 Seemeilen als schnellster Offshore-Monohull.

Freude über den Sieg. © Liot

Wie ist dieser Leistungssprung von Charal möglich? Schließlich konnte Beyou bei der vergangenen Vendée Globe nicht die erhoffte Rolle spielen. Eigentlich war Beyou bei seiner fünften Weltregatta angetreten, um ganz vorne um den Sieg mitzuspielen. Aber nie führte er das Feld an, lag kurz mal auf Platz drei, dann wochenlang auf Rang fünf und schließlich benötigte er als Vierter gut zehn Tage länger auf See als der Sieger.

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Das war für den ehrgeizigen Skipper, der schon dreimal die Solitaire du Figaro gewonnen hat, eine große Enttäuschung. Schließlich war er schon 2016/2017 bei seiner dritten Vendée Globe mit einem kaum siegfähigen IMOCA hinter Armel Le Cléac’h und Alex Thomson überraschend Dritter geworden. Schon damals hatte der Franzose aus Carantec in der Bretagne kein Hehl daraus gemacht, dass es ihm bei der Vendée Globe nur darum geht, einen Platz ganz vorne zu belegen. „Für mich zählt bei der wichtigsten Hochseeregatta der Welt nur das Podium. Und sonst nichts! Dafür lasse ich mich dann auch gerne feiern.“

Danach startete er 2020/21 mit dem neuen Sponsor Charal ein allein auf Sieg getrimmtes Projekt. Umso härter war es für ihn, in einem Sturm kurz nach dem Start schwere Schäden nach einer Kollision vermelden zu müssen. Er drehte schließlich mit einem Bruch des Backstags um und segelte mit neun Tagen Verspätung dem Feld hinterher. Es war insbesondere psychologisch eine enorme Herausforderung, diese Weltumseglung dann ohne ernsthaften Wettkampfmodus zu absolvieren.

Für den nächsten Versuch sollte es endlich klappen mit dem Sieg. Der Fleischproduzent Charal blieb ihm treu und investierte in einen vermeintlich revolutionären IMOCA-Neubau, für den Beyou mit dem Plattbug-„Erfinder“ Sam Manuard zusammenarbeitete. Charal 2 lief schon im November 2022 als erstes Boot der Favoriten vom Stapel, schlug sich mit den Plätzen 4/2/3/3 bei den folgenden Atlantikregatten gut, war aber offenbar nicht die Rakete, die sich der Skipper erhofft hatte. Siege gelangen ihm nicht.

Charal knallt in eine Welle. © Charal

Dabei schien insbesondere die spezielle X-Wing-Konfiguration der Ruderblätter eine geniale Innovation. Das Luvruder sollte dabei den Flug stabilisieren. Aber einen merkbaren Vorteil konnte sich Beyou damit nicht erarbeiten. Die alte Charal erwarb Justine Mettraux. Und sie segelte bei der Vendée Globe nur kaum 200 Meilen hinter Beyou auf Platz acht.

Auf der Speed-Autobahn runter in den Süd-Atlantik befand sich Beyou noch gut im Spiel. Aber als Simon und Richomme die 24-Stunden-Rekorde brachen, fehlte Charal 2 im entscheidenden Moment die Endgeschwindigkeit. In drei Tagen verlor er auf Simon gut 100 Meilen und den Anschluss an die führende Vierergruppe. Danach verpasste er wochenlang Seite an Seite mit Nicolas Lunven segelnd das nächste Wettersystem und bekam keine Chance mehr, das Manko auszugleichen. Seitdem war Platz vier das Minimum, das er noch erreichen konnte.

Bei Flachwasser segelt Charal so stabil auf Höchstgeschwindigkeit, dass Beyou die Drohne steigen lassen kann. © Charal

Dabei hasst er diesen Platz, den er vor zwei Jahren auch bei der Transat Jacques Vabre, nach drei dritten Plätzen in Folge, an selber Stelle einnahm – mit niemand Geringerem als Franck Cammas als Co-Skipper, der nun vor einem Tag den Ultim-Titel gewann. Damals konnte Charal nicht mit der Vorwind-Segelkombination der Sieger Ruyant und Lagravière auf For People mithalten. Selbst Sam Goodchild mit der alten For The Planet war schneller.

Cammas sagte damals: „Wir müssen uns wirklich auf die Vorwind-Leistung mit 18 bis 22 Knoten konzentrieren und nicht zu sehr auf die weniger genutzten Winkel.“ Auch wenn man vor dem Erreichen des Passatwindes ein paar Meilen verliere. „Diesen Kurs müsse man für diese Regatta zu seiner Stärke machen.“

Beyou hat diesen Rat offenbar beherzigt. Bei dieser Transat Café L’Or scheint der 49-jährige Vater von drei Kindern nun das Potenzial seiner Speed-Maschine besser als bei der Vendée Globe ausschöpfen zu können. Er hat sichtlich ein neues Level erreicht. Warum das so ist, erklärt Designer Sam Manuard bei V&V. Nach der Vendée Globe sei das Boot noch einmal deutlich weiterentwickelt worden. Das war möglich, weil der Sponsoren-Vertrag mit Charal ausdrücklich diese Regatta einschließt.

Der französischen Firma geht es insbesondere um Reichweite im Land. Und die Transat Café L’Or ist nach der Vendée Globe die wichtigste Regatta. Deshalb kam etwa auch eine Meldung bei The Ocean Race Europe nicht infrage. Stattdessen konzentrierte sich Beyou auf die Verbesserung seines IMOCA für die spezielle Speed-Strecke über den Atlantik.

Jeremie Beyou Charal
Die X-Wing-Konfiguration von Charal. Bei Krängung wirkt das Luvruder als Höhenleitwerk. © Eloi Stichelbaut

Manuard erklärt, dass insbesondere ein neues Paar Ruder angebracht wurde. Das spezielle umgekehrte V-Leitwerk wird sonst von keinem anderen Designer eingesetzt und war eben auch nicht auf Anhieb erfolgreich. Aber nun habe man „an einer etwas anderen Geometrie gearbeitet, mit etwas längeren Rudern“. Ziel sei es dabei gewesen, ein im Flug etwas weniger empfindliches und toleranteres Boot zu erhalten, das stabiler fliegt. Damit sei es nun gelungen, einen deutlich konstanteren Speed bei Foilbedingungen zu erreichen.

Jeremie Beyou Charal
Charal 2 im Foil-Modus. Die schrägen Ruderblätter sollen den Auftrieb am Heck stabilisieren. © Guyader

Nun glaubt Manuard: „Das Boot hat in Sachen Leistung einen neuen Meilenstein erreicht. Ab Kap Finisterre haben wir gesehen, dass das Boot bei wenig Wellengang sehr gut lief, sowohl in Bezug auf den Winkel als auch auf die Geschwindigkeit und bei den Manövern um die Kanarischen Inseln. In bestimmten Phasen lag der Durchschnitt zwei Knoten über dem der Boote in der Nähe. Selbst auf dem Atlantik unter sehr schwierigen Bedingungen, bei denen die Segler durchgeschüttelt wurden, behielt es einen Geschwindigkeitsvorsprung. Man spürt, dass es dem Team wirklich gelungen ist, das Beste aus dem Boot herauszuholen.“

Charal mit vier Segeln im Downwind-Modus. © Charal

Man habe insbesondere an den Segelkombinationen für den Vorwindkurs gearbeitet. So seien auf Charal beispielsweise gleichzeitig J3, J2 und das „Quad”, ein Segel zwischen dem J0 und dem Masthead 0, häufiger eingesetzt worden. Außerdem steuern die Segler häufiger selbst und können dadurch den Flugmodus besser halten.

Jeremie Beyou Charal
Die erstaunliche neue Ruder-Konfiguration à la X-Wing. © PolaRYSE / Charal

„Darin liegt der Unterschied“, sagt Manuard. „Wenn sich das Boot in instabilen Flugphasen befindet, ist der Autopilot noch nicht in der Lage, alle Bewegungen in drei Dimensionen zu steuern. Ein guter Steuermann hingegen spürt das Boot, antizipiert Reaktionen und hält das Boot gleichmäßiger auf Kurs. Bei Charal haben sie daran hart gearbeitet. Es ist wirklich interessant zu sehen, dass der Mensch heute noch immer besser ist als die Maschine. Das kehrt den Trend um, der seit Jahren in Richtung vollständiger Automatisierung zu gehen schien.“

Die beiden Charal-Generationen: Alt (r., nun von Mettraux gesegelt) und neu im Vergleich. © PolaRYSE / Charal

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