Der Christmas-Cup hat ein erstes Licht auf die Action mit den futuristischen Super-Cuppern geworfen. Hat der neue America’s Cup das Zeug, mehr Menschen als bisher zu erreichen? Die Vorregatta war überwiegend von einseitigen Rennen geprägt.
Der America’s Cup ist das Prestige-Event des Segelsports, der Olymp der Wind-und-Wasser-Begeisterten. Aber so bekannt der Cup in der Szene auch ist – außerhalb der Segler-Blase weiß kaum jemand, um was es sich handelt. Ändert sich das nun mit den neuen spektakulären Konstruktionen? Wenn nur vier Teams um die Wette rasen?
In drei Wochen muss es sich zeigen. Am 15. Januar 2021 starten die Vorregatten zum 36. America‘s Cup. Die klare Erwartung an das Event: Auch Nicht-Segler erreichen. Die Prada America’s Cup World Series in Auckland gab einen Vorgeschmack. Was kommt da auf uns zu?
Als Sportfan aber eher inaktiver Segler sollte ich ein Teil der erweiterten Zielgruppe sein. Ich war durchaus interessiert. Erwartungsvoll arbeitete mich durch die stundenlange Berichterstattung. Würde es mich richtig packen? Leider nein – es war langweilig.
Ein zu hartes Urteil für die Macher? Tue ich den Veranstaltern Unrecht? Schließlich hat das letzte Rennen zwischen Team NZ und Luna Rossa gezeigt, dass durchaus Spannung aufkommen kann. Wenn der Wind mitspielt. Wenn es Überholmanöver gibt. Das Problem: Solche Duelle hatten an den vier Tagen Seltenheitsfaktor.
Offenbar betrachten auch einige Fans dieses erste offizielle Auftreten der AC75 im Rückblick mit gemischten Gefühlen. Repräsentativ dafür sind die Kommentare unter den Videos der Prada America’s Cup World Series. Sie reichen von Dankbarkeit für die tolle Übertragung, bis zu gelangweilten und genervten Zuschauern. Die erste Neugierde und der erste Hype ließ die Zahl der Youtube-Aufrufe noch 300.000 Zuschauer anwachsen. Aber die Zahlen sackten schließlich um ein Drittel ab.
Nur neue Spielzeuge?
Ich habe mich beim Lesen vieler Kommentare gewundert. Die Wettkampf-Ergebnisse werden kaum bewertet. Die Diskussionen drehen sich hauptsächlich um Bewunderung für die Foil-Technik, um die Kritik der Regatta-Bedingungen oder die Qualität der Übertragung. Das ist nicht optimal, wenn man einen echten Wettkampf präsentieren will und nicht nur hübsche, teure Schiffchen, die vor Neuseeland hin und her rasen.
Ist dieser Cup nun massentauglicher als sonst oder nur der übliche Kampf zwischen finanziellen Schwergewichten, die mit neuen Spielzeugen spielen lassen? Der Cup war nie günstig, aber selten war so viel Geld nötig. Auch deshalb sind nur vier Teams am Start. Die Budgets sollen jeweils 200 Millionen Euro übersteigen. Und jetzt ist das Ganze langweilig? Nur ein Prestige-Objekt von Milliardären, die sich mit Ihresgleichen messen?
Das Produkt „America‘s Cup“ erscheint durchaus eindrucksvoll. Die technischen Aspekte der neuen Boote faszinieren und zeigen, wie weit der Segelsport inzwischen entwickelt ist. Die Übertragung ist stellenweise gut. Kleinere Makel, wie die teilweise ungünstige Auswahl von Kameraperspektiven oder das gleichzeitige Reden von Kommentatoren und Boot-Crew sind zu verschmerzen. Sie werden durch schöne Drohnenbilder, gute Kommentatoren oder anschauliche 3D-Animationen ausgeglichen. Die Manöver sind actionreich und es kommt durchaus zu engen Situationen – allerdings viel zu selten.
Das Spannendste an einem Wettkampf ist der Wettkampf
Im Bemühen, die Action des Foilens in den Vordergrund zu bringen, wird für meinen Geschmack ein zu große Wert auf Nahaufnahmen und das Fliegen an sich gelegt, ein zu geringer Fokus auf den Wettkampf.
Die Boote stehen im Vordergrund. Ja, sie sind eindrucksvoll. Aber man gewöhnt sich schnell an die Bilder. Die meisten Läufe waren nach dem Start entschieden solange kein grober Patzer passiert. Überholmanöver gab es wenige. Die hohen Geschwindigkeiten führen zu wenigen Manövern – wegen des Zeit- und Tempoverlusts – großen Abständen und einseitigen Rennen.
Auch wenn bei den Geschwindigkeiten 300 Meter Abstand innerhalb kürzester Zeit aufgeholt werden kann, wirkt die große Entfernung zwischen den Booten für den Betrachter deutlich. Und damit langweilig. Außerdem dauern die Rennen zu lange. Ich lasse mich nicht zwanzig Minuten lang von einem bereits entschiedenen Zweikampf fesseln – da mögen die Boote noch so schön aussehen.
So unglaublich die Konstruktionen auch sind, wenn sie mit vierfacher Windgeschwindigkeit segeln – nach einiger Zeit hat sich die Bewunderung für den extrem hohen Speed abgenutzt.
Was Zuschauer dauerhaft anzieht, ist ein umkämpftes Rennen. Das Spannendste an einem Wettkampf sind nicht Technik, nicht Personen, nicht Berichterstattung. Das Spannendste an einem Wettkampf ist der Wettkampf. Es braucht Kopf an Kopf Rennen, krasse Manöver, Emotionen und den ein oder anderen (vorsichtigen) Crash.
„Formel 1 wird ja auch geguckt“
Man könnte diese Art der Segelregatten mit Autorennen vergleichen. Fans kommentieren: „Formel 1 wird ja auch geguckt“ – Ja, aber fast jeder fährt auch Auto, kann sich die Geschwindigkeiten vorstellen oder drückt auch gerne mal das Gaspedal richtig durch.
Dagegen ist Segeln für die Meisten viel abstrakter und nicht greifbar. Ein Großteil der anvisierten Zielgruppe hat nun wenige Vorkenntnisse. Der Spagat zwischen diesen erhofften, neuen Zuschauern und der Segelgemeinde gestaltet sich besonders schwierig.
Bestes Beispiel: Öfter mal die Geschwindigkeit in km/h statt in Knoten angeben. Ergebnis: Nicht-Segler bekommen ein Gefühl für die unglaublichen Geschwindigkeiten der Boote. Kehrseite der Medaille: Die Segler werden mit Fackeln vor die Türen der Verantwortlichen laufen. Ich bin froh, dass ich eine solche Entscheidung nicht treffen muss.
SailGP als Vorbild?
Um die große Masse der Sportinteressierten zu erreichen – auch mich – muss allerdings mehr erklärt werden. Zum Beispiel warum die Boote nicht mehr klassisch vor dem Wind segeln. Die einzelnen Rennen müssen kürzer werden – und härter umkämpft.
Dass es auch anders geht, zeigt für mich zum Beispiel eindrucksvoll der SailGP. Etwa die letzte Regatta dieser ehemaligen America’s Cupper (AC50) war schwer umkämpft. Sie zeigt, wie Spannung im Segelsport kreiert werden kann.
Bis zum Start der ersten zählenden Rennen um den 36. America’s Cup wird sich an den Booten und der Übertragung noch Vieles ändern. Vielleicht rückt auch die Leistungsfähigkeit der Teams noch enger zusammen. Aber wird das ausreichen, damit die Bedeutung dieser Regatta auf der Weltbühne des Sports deutlich ansteigt? Wird es mich auch mitreißen? Ich bin skeptisch.
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