Lotta Görge hat nach der 49er Olympia-Karriere mit ihrem Freund und Freeride-Profi Felix Wiemer ein neues Segel-Projekt gestartet: Abenteuer-Törn im Hohen Norden. Wie es dazu gekommen ist.
2017 war eigentlich ein gutes Jahr für die Zwillinge. Platz 13 bei der Heim-EM in Kiel, und 16. bei der WM in Kiel waren die Karriere-Bestleistungen und machten Hoffnungen auf einen rechtzeitigen Formanstieg bis zur Japan Qualifikation. Sie planten, noch einmal Vollgas zu geben. Aber schließlich war das WM-Ergebnis genau ein Zähler zu schlecht für eine Kader-Nominierung.
Ohne DSV-Unterstützung gestaltete sich die Kampagnen-Finanzierung schwierig. „Es war eine große Enttäuschung. Wir entschieden uns schließlich, auf dem Höhepunkt auszusteigen.“
Die letzte 49er Regatta liegt nun fast eineinhalb Jahre zurück und Lotta Görge hat mit dem Abschluss der Leistungssport-Karriere ihren Frieden gemacht. Schließlich konnte sie inzwischen ein neues, spannendes Kapitel ihres Lebens aufschlagen. Und auch das hat viel mit Segeln zu tun.
Die Kielerin ist mit dem 30-jährigen Felix Wiemers liiert, der unter den besten 15 Ski-Freerider der Welt geführt wurde. Er studiert ebenfalls in Marburg, musste aber erst einmal mit dem Sport seiner Freundin klarkommen.
Sie verbinden die beiden Leidenschaft auf perfekte Weise. Im Frühjahr 2018 charterten sie eine Yacht in Tromsø weit im Norden von Norwegen mit Film-Profi-Freunden (Midiafilm), mit denen Wiemers regelmäßig Freeride-Filme dreht. Der Törn war ein Traum. Sie entdeckten unberührte Natur, tourten die Berge hoch und fanden Abfahrten, die noch kein Ski zuvor durchfahren hatte.
Daraus entstand die neue Geschäftsidee: Sailandsummit – Segel und Gipfel (Website). Bei den Abenteuer-Törns wollen sie zahlenden Gästen die atemberaubende Natur zeigen. Lotta ist für das Segeln zuständig und Wiemers fürs Skifahren. Die Saison dauert nur von Anfang April bis Mitte Mai. Aber vier von fünf Wochen sind schon ausgebucht.
Möglich macht es eine Yacht, die sie in Kiel gekauft haben. Durch Zufall bot sich eine bestens ausgerüstete Elan 431 in Schilksee an, und schon zwei Tage nach dem Erwerb legten sie ab Richtung Norden.
Wiemers hat eigentlich keine Ahnung vom Segeln. Aber während der zwei Jahre dauernden Beziehung kam er an dem Wassersport nicht vorbei. Er hatte sogar schon einen Regattaeinsatz bei der Kiel Woche, als er mit Lottas Vater Martin – 2012 immerhin Weltmeister im 505er – auf einer Albin Express Platz 3 ersegelte und absolute Seefestigkeit bewies.
Lotta Görge beschreibt den ersten Törn auf eigenem Kiel:
„Nach nur zwei Tagen Vorbereitung haben wir uns von Kiel aus Richtung Norden gemacht. Felix war sich nicht ganz sicher, auf was er sich da einließ. Für einen Nichtsegler war dieser Trip wohl eine perfekte Feuertaufe. Sehr witzig jedoch, dass er fast der einzige war, der den Wellen der Nordsee trotzte und nicht über dem Seezaun hing – selbst einige erfahrene Segelfreunde wurden schon schwach.
Über Skagen, Kristiansand, Bergen und das berüchtigte Westkap, eine der gefährlichsten Ecken der norwegischen Küste, haben wir den Polarkreis erreicht. Das Wetter machte uns das Leben anfangs etwas schwer, doch wir wissen jetzt, dass unsere ‚Vilma‘ eine richtig seefeste Lady ist. Von die Lofoten und Senja ging es dann Richtung Tromsø: vier Wochen auf dem Boot und viele Seemeilen im Kielwasser.
Nach diesem Abenteuer mit vielen Höhen und Tiefen steht fest, dass wir das Boot nun kennen wie unsere Westentasche. Felix ist ein echter Seebär geworden und unserem Projekt Sail and Summit steht nun nichts mehr im Weg.
„Vilma“ überwintert erst noch einmal an Land auf einem Bock in Tromsø. Aber sie wartet darauf, dass wir im April endlich die Leinen loswerfen.
An 36 Tagen nehmen wir abenteuerlustige Interessenten mit, die uns für jeweils eine Woche begleiten. Man sollte durchschnittlich fit sein und ein guter Skifahrer. Aber keine Angst, wir passen uns individuell an die Gruppen an.
Für das Segeln sind keine Vorerfahrungen erforderlich. „Vilma“ ist unsere Basis. Sie bietet mit einer Länge von 13,5 Metern und einer Breite von vier Metern ausreichend Platz für Material und Verpflegung und ist ein gemütliches Winterdomizil am Rande der Fjorde.
Auch im Sommer sind die Lofoten und die Gewässer um Tromsø ein wunderbares Segelrevier und Vilma steht von Juni bis September zur Charter zur Verfügung. Da oben ist für jeden etwas dabei. Ist das Wetter zu rau, gibt es immer die Möglichkeit, sich auf Innenrouten in den endlosen Fjorden zu verstecken.
Die Natur ist unvergleichlich. Ein verrücktes Gefühl, mit einem Segelboot an die Füße der Berge zu fahren, welche an die Alpen erinnern. Die Kombination aus Ski und Segeln aber auch Bergsteigen oder Mountainbiken und Segeln ist einzigartig und immer ein Abenteuer.
Besonders im Frühjahr und Herbst sind die Lichtverhältnisse atemberaubend. Die Tage scheinen ewig zu dauern und ebenso die Sonnenuntergänge. Stundenlang ist die Landschaft in ein rotes Abendlicht getaucht.
Im Winter ist es etwas rauer, jedoch sorgen Polarlichter für Zauber und die Begegnungen mit Walfamilien, die zu dieser Zeit den Heringen in die Fjorde folgen, sind einfach nicht mehr aus dem Kopf zu bekommen.
Im Sommer steht die Sonne 24 Stunden am Himmel, und man entdeckt die Umgebung noch einmal völlig neu. So extrem kalt, wie man denken mag, ist es nicht. Schließlich ist der Einfluss des Golfstroms sehr präsent. Im Winter bleiben die Fjorde eisfrei, lediglich der Tidenhub von zwei Metern ist zu beachten. Einige Engstellen können dadurch schon mal zu Stromschnellen werden.
Tromsø heißt übersetzt nicht ohne Grund „Insel im Strom“. Hier gibt es Strömungen, die bis zu sieben Knoten stark werden können. Doch wenn man diese Faktoren ein wenig im Hinterkopf behält, erinnert das Segeln dort oben an die schwedischen Schären – es ist nur weitläufiger und imposanter.
Man kann oft per Heck- und Schärenanker festmachen. Häufig bieten die kleinen Sandbuchten aber eher Gelegenheit zum traditionellen Ankern. Dort kommt man mit einem Beiboot sehr entspannt an Land.
Die Hafendichte ist naturgemäß dort oben sehr gering. Wer solche Besuche präferiert, sollte die Route genau planen. Wir haben bisher nur gute Erfahrungen mit den Einheimischen gemacht. In den meist kleinen Fischerhäfen sind alle sehr freundlich, hilfsbereit und freuen sich über Gäste.
Für diejenigen die gerne Fisch essen, ist es ein Paradies. Entweder kann man direkt bei den Fischern fangfrisch kaufen oder man fängt selbst. Dorsch, Pollack und Makrele beißen immer. Wir freuen uns riesig auf das nächste Frühjahr und können es kaum erwarten Sail and Summit zu verwirklichen.“
Webseit sailandsummit
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