Die Britin Pip Hare (49) hatte nach einem guten 11. Platz bei der Retour à La Base ohne Pause die Heimreise nach Poole angetreten, war dann aber im Dunkeln gestrandet. Sehr emotional berichtet sie, was passiert ist.
Pip Hare (49) war eine der Entdeckungen der vergangenen Vendée Globe. Sportlich segelte sie mit einem uralten Boot chancenlos hinterher und benötigte für die Strecke 15 Tage mehr als die Sieger. Aber sie kam im Ziel nach 95 Tagen an und ließ als 19. noch sechs Finisher hinter sich. Lange hatte sie auf Rang 15 gelegen, dann war ein Ruderschaft gebrochen.
Ein schönes Ergebnis. Jeder, der eine Vendée Globe schafft, ist ein Held. Während aber normalerweise den Siegern dir größte Aufmerksamkeit gebührt, hat es die Britin geschafft, auch beim Segeln auf hinteren Plätzen eine großen Fangruppe hinter sich zu versammeln.
Das erreichte sie durch ihre Arbeit vor der Kamera. Schon Boris Herrmann tat sich in dieser Disziplin als Kommunikator hervor. Und ihm gelang es ganz besonders diese Fähigkeit in Sponsoren-Gelder umzumünzen. Es geht immer darum, ob es dem Skipper gelingt, unverfälscht, ehrlich und authentisch über die Stimmungen und Erlebnisse an Bord zu berichten.
Alex Thomson hat diese Fähigkeit zur Kunst erhoben und damit seinem Sponsor Hugo Boss aber wohl auch für sich selbst Millionen erwirtschaftet, obwohl der ganz große Vendée Globe Erfolg ausblieb. Pip Hare folgte dem Vorbild des Landsmannes. Nach der Welt-Regatta galt sie vielen Beobachtern als Siegerin der Herzen. Sie wunderte sich nur: „Unglaublich, dass mich jemand bemerkt.“
Schließlich kann sie keine illustre Regatta-Segel-Vita vorweisen. Sie arbeitete als Segellehrerin, Offshore-Skipperin und Segel-Journalistin und kam erst mit 35 Jahre dazu, erste Erfahrungen als Einhandseglerin zu machen. 2011 absolvierte sie die Mini-Transat und belegte Rang 15 in der Serienklasse. Vier Jahre später segelte sie die Transat Jacques Vabre auf einer Class40.
Dass die kleine Britin 2018 den 18 Jahre alten für Bernhard Stamm gebauten IMOCA übernehmen konnte und es tatsächlich mit einem Mini-Budget zur Vendée-Globe-Startlinie 2020 schaffte, war ein kleines Wunder. Der Sponsor Medallia kam in letzter Minute an Bord. Und die Macher des US-Softwareunternehmens waren von der Reichweite ihrer Mini-Investition so positiv überrascht, dass sie fortan tiefer in die Materie einsteigen wollten.
Sie versetzten Pip Hare in die Lage, bei der kommenden Vendée Globe mit konkurrenzfähigem Material um die Welt zu segeln. Dabei griffen sie nicht ganz oben ins Regal, aber das Budget reichte aus, um Louis Burtons IMOCA Bureau Vallée zu kaufen, mit dem er bei der vergangenen VG-Dritter geworden war. Es wurde für einen Marktpreis von etwa 2,7 Millionen Euro gehandelt.
Medallia-CEO sagte damals: Leslie Stretch begründet die Unterstützung von Pip Hare: “Jeder bei Medallia ist beeindruckt von Pips Stärke, Unermüdlichkeit und ihrer fesselnden Geschichte. Aber ihre Reise ist noch lange nicht vorbei. Wir sind stolz darauf, ihr weiterhin zur Seite zu stehen, wenn sie sich neuen Herausforderungen stellt, und ihr dabei zu helfen, sich mit ihren engagierten Unterstützern durch unsere Technologie auf neuartige Weise zu verbinden.”
Allerdings war der IMOCA, mit dem Armel Le Cleac’h die Vendée Globe 2017/18 im spannenden Duell mit Alex Thomson gewonnen hatte noch mit den Stummelflügeln der ersten Semi-Foiler-Generation ausgerüstet und nicht mehr konkurrenzfähig.
Die Metamorphose von Banque Populaire zu Medallia:
Deshalb wurde der aufwendige Umbau beschlossen. Die 3,4 Meter langen Foils wurden durch zwei Meter längere Profile ersetzt. Konstrukteur Gulliaume Verdier beaufsichtigte das Projekt, dass bei der Carrington Werft in Lymington umgesetzt wurde. Dort, wo Alex Thomsons Hugo Boss Yachten gebaut wurden aber auch der letzte britische AC75 America’s Cupper.
Das Ergebnis konnte sich sehen lassen. Schon bei der ersten Regatta, der Route du Rhum 2022 segelte Pip Hare im Feld von 37 IMOCA auf Platz 12 über den Atlantik. Boris Herrmann wurde 24. Romain Attanasio lag mit Herrmanns alter Malizia knapp eine Stunde vor ihr. Diesmal konnte er als Zehnter nur knapp 20 Minuten Vorsprung behaupten. Hare segelte also bei der Retour à La Base ein gutes Rennen und schlug immerhin Clarisse Crémer um einen Platz.
Pip Hares Highlights bei der Retour à La Base:
Die Britin konnte bestätigen, dass das Vertrauen in ih Vendée-Globe-Projekt gerechtfertigt scheint. Umso peinlicher sind ihr nun die Geschehnisse nach dem Zieldurchgang. Sie hatte entschieden, nach dem anstrengenden Zweikampf mit Romain Attanasio nicht erst eine Ruhepause im Zielhafen Lorient einzulegen, sondern direkt Richtung Ärmelkanal zu ihrem rund 270 Meilen entfernten Heimathafen Poole weiterzusegeln.
Am Nachmittag querte sie um 14:40 die Ziellinie, dann segelte sie sofort Richtung England in die Nacht. Am frühen Morgen wachte sie auf, als Medallia strandete. Das Schiff lief in St. Austell an der Küste von Cornwall auf Grund rund 100 Meilen vom Zielort entfernt.
In einem rührenden Video erzählt die Skipperen, den Tränen nahe, von ihrem Missgeschick:
https://www.facebook.com/PipHareOceanRacing/videos/1046982529953799
Dabei bestätigt Hare das Unglück, das sie am Dienstag, den 12. Dezember in den frühen Morgenstunden erlebte. „Mir geht es gut und dem Boot ebenso, auch wenn es ein bisschen durchgeschüttelt wurde. Ich bin am Boden zerstört nach dem, was am Morgen passiert ist. Ich habe alle Alarmmeldungen überschlafen und bin an der Küste gestrandet. Meine Entscheidung, das Boot allein nach Hause zu bringen, wurde so getroffen, weil wir ein sehr kleines Team sind. Wir versuchen, Geld zu sparen, wo es nur geht, also schien es mir kein zu großes Risiko zu sein, die weiteren Meilen allein zu segeln, nachdem ich bereits 3500 Meilen zurückgelegt hatte. Ich habe eine schlechte Wahl getroffen…“.
Man sieht und hört Hare an, dass es ihr peinlich ist, das Schiff und sich selbst in so große Gefahr gebracht zu haben. Schließlich hätte auch eine Kollision in dem dicht befahrenen Seegebiet passieren können, die wohl noch viel schlimmer ausgegangen wäre.
Große Dankbarkeit äußert sie gegenüber den Seenotrettern der RNLI-Organisation, die sich in England ebenso wie die DGzRS in Deutschland aus Spenden finanziert. Sie schickten ein Boot, mit dem Medallia wieder ins tiefere Wasser gezogen werden konnte.
„Wir möchten der RNLI für ihre Hilfe danken…Ich kann die Teams gar nicht genug loben. Wenn Sie die RNLI unterstützen möchten, wäre ich Ihnen sehr dankbar. Sie existieren nur dank Spenden.“
Das Missgeschick ist allerdings auch schon Größeren passiert, Alex Thomson zum Beispiel. Unvergessen ist sein Fauxpas bei der Route du Rhum als er uneinholbar mit mehr als 200 Meilen Vorsprung in der Nähe des Ziels bei Guadeloupe ankam, aber schlafend mit 17 Knoten Speed auf Land knallte. Nur mit Hilfe des Motors kam er frei und segelte als Sieger ins Ziel. Aber die Jury brummte ihm eine 24-Stunden-Strafe auf und so wurde er nur auf Platz drei gewertet.
Auch er meldete sich danach per Video. “Wie fühle ich mich? Nun, Ich denke, das ist fair. Ich habe es nicht verdient, dieses Rennen zu gewinnen, nachdem ich in Guadeloupe aufgelaufen bin.” Kein Hadern, kein Anklagen, kein Suchen nach Fehlern bei anderen. “Was ich getan habe, ist unverzeihlich. Ich habe mich selbst disqualifiziert.”
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