Retour à La Base: Sebastien Simon mit Not-Stopp – Boris Herrmann auf Platz vier

Es wird dünn an der Spitze

Boris Herrmann hat selbst seine Probleme, kann das Podium nicht mehr angreifen und ist in eine Leichtwindzone geraten. Trotzdem rutschte er während der Azoren-Passage wieder einen Platz nach vorne.

Boris Herrmann grübelt, warum er so schlecht schläft. © Team Malizia

In seinem jüngsten Video von Bord zeigt Boris Herrmann, wie er sich aktuell bei leichtem Wind an den Azoren vorbei müht. Die Hände sind mit Sikaflex beschmiert und zeugen von seinen langen Arbeitsstunden unter Deck.

Eigentlich habe er nicht so weit nördlich sein wollen, weil dort in den nächsten 24 Stunden ziemlich viel Wind zu erwarten sei. Ein Wettermodell spreche von einem heftigen Sturm. Deshalb, so vermutet er, sei wohl auch Nico Lunven mit Holcim-PRB früher gehalst, um dem Schlimmsten zu entgehen.

Sein ehemaliger Navigator segelte den größten Teil des Rennens bisher vor Malizia, war dann aber deutlich vom Gas gegangen und segelte zeitweise zwei Knoten langsamer. Offenbar hatte auch Lunven Reparaturen zu erledigen. Herrmann passierte ihn und lag schon 25 Meilen vorne.

Aber nach Herrmanns Bastel-Marathon fehlten dem Verfolger beim letzten Vorwind-Cross nur noch 15 Meilen. Und danach segelten sie weit auseinander. Aktuell ist daraus ein Split von 90 Meilen entstanden und Hermann mag im Kopf herumgehen, ob sein erfahrener Team-Kamerad etwas gesehen hat, was ihm verborgen geblieben ist.

Darüber hinaus erklärt der Malizia-Skipper, dass er nicht besonders gut schläft. Vielleicht liege es an der Koje. Irgendetwas sei da ungewohnt. Er fühle sich gestresst, etwas krank und habe auch keinen Appetit. “Ich fühle mich nicht in der besten Form, will mich aber nicht beschweren.”

Malizia (grau) im Speedvergleich mit der drittplazierten Sam Goodchild. Die ersten drei ziehen mit stärkerem Wind deutlich davon.

Den Kollegen im Umfeld geht es offenbar nicht besser. Nur die ersten drei Richomme, Beyou und Goodchild ziehen unaufhaltsam davon. Herrmann weis zur Spitze schon ein Defizit von 330 Meilen auf. Insbesondere die nötigen Bastelaktionen haben ihn den besseren Wind vorne verpassen lassen.

Das Führungstrio hat die Azoren längst hinter sich gelassen und konnte der Flaute entgehen. Alle beobachten jedoch ein großes Tiefdruckgebiet, das sich vor der Küste Neufundlands bildet. Der Meteorologe Christian Dumard bestätigt, dass sich ein Großteil der Flotte nach Süden orientiert, um das Schlimmste zu vermeiden.

Louis Burton (Bureau Vallée) befindet sich am weitesten im Norden und wird wohl ziemlich heftiges Wetter abbekommen. Aber das kennt man schon seit der Vendée Globe von ihm, als er sich durch solche Hardcore Strategie den dritten Platz ersegelte. Mit seinem neuen Schiff hatte er schon zwei Mastbrüche zu bewältigen. Das hält ihn aber nicht davon ab, den harten Weg zu wählen. Wenn es klappt, kann er Boris Herrmann noch sehr gefährlich werden.

Boris Herrmann nördlich der Azoren. Die Top drei sind weg. Im Süden (blau) segelt Nico Lunven, im Norden Louis Burton (gelb), dazwischen Sam Davies und Damien Seguin (rot)

Das gilt nicht mehr für Sebastien Simon auf Dubreuil, der seinen vierten Platz aufgegeben hat, um einen technischen Zwischenstopp auf der  Azoren-Insel Flores einzulegen. Sein Schiff erscheint schon länger nicht mehr auf dem Tracker und das hat wohl auch mit den Energieproblemen zu tun, die zum Stoppen zwingen.

Ähnlich wie Boris Herrmann hat er Probleme, den Motor zu starten und kann keine Energie mehr erzeugen. Das führt zum Ausfall von Autopilot, Computer, Navigation und der Trinkwasser-Produktion.

Seb Simon segelte auf seinem neuen Schiff der ex 11th Hour im Bereich des Podiums, muss nun aber stoppen. © Groupe Dubreul

Sein Team berichtet: Trotz aller Anstrengungen, die mit Hilfe seines technischen Teams in der Nacht unternommen wurden, waren die Versuche, den Motor zu starten, nicht erfolgreich. Er wartete vor dem Hafen von Flores um bei Tagesanbruch einzulaufen.
Dort versucht er nun müde und frustriert, Lösungen zu finden, die ihm das Weitermachen ermöglichen.

Schlepp zum Hafen von in Lajes das Flores. © Groupe Dubreuil Sailing Team

Simon ist nun erst einmal im örtlichen Krankenhaus wegen seiner vor einem Tag erlittenen Kopfverletzung behandelt worden. Drei Teammitglieder werden am Freitag vor Ort erwartet, um bei den Reparaturen zu helfen. Schon jetzt ist klar, dass sie erst den Sturm vorbeiziehen lassen werden, bevor sich Simon weiter auf den Weg nach Lorient macht.

Dubreuil vertäut in Lajes das Flores © Groupe Dubreuil Sailing Team

Damit setzt sich für ihn eine Pechsträhne fort, die schon bei seiner vergangenen Vendée Globe eingsestetzt hat, als er mit Arkea-Paprec nach einer Kollision in Kapstadt aufgeben musste. In der Folge verlor er Sponsor und Boot und sprang auf Guyot bei The Ocean Race als wichtiges Crewmitglied ein. Aber auch dieses Abenteuer war von Schäden und Aufgaben geprägt. Dann konnte Simon in letzter Sekunde die Groupe Dubreuil als Sponsor gewinnen und mit dem Geld einen der schnellsten aktuellen IMOCA erwerben – ausgerechnet Ocean-Race-Sieger von 11th Hour, den Skipper Benjamin Dutreux umgefahren hatte. Bei der Transat Jacques Vabre kam er mit Iker Martinez sofort schnell in Fahrt und hatte mit seiner Nord-Route gute Siegchancen. Er musste aber schließlich mit gerissenem Großsegel ins Ziel humpeln. Nun das neuerliche Malheur. Irgendwann muss die Pechsträhne für den Franzosen einmal ein Ende haben.

Thomas zeigt seine Besegelung, mit dem er seit seinem Großsegel-Riss unterwegs ist. © Ruyant

Einer, der sich mit solchen Dingen auskennt, ist Jean Le Cam. Der 64-Jährige will 2024 seine fünfte Vendée Globe bestreiten und hat dafür erst Ende September seinen Neubau vom Stapel laufen lassen, der auf Foils verzichtet. Er überführte das Boot zusammen mit dem alten Schweizer Weggefährten Bernhard Stamm parallel zur Transat Jacques Vabre nach Martinique, um bei der Retour à La Base an den Start zu gehen.

Jean Le Cam kurz vor dem Start in Martinique. © Le Cam

Die Teilnahme an der Regatta ist für ihn verpflichtend, da er seit der vergangenen Vendée Globe keine Meilen gesammelt hat. Er verpasste aber durch zahlreiche Stürme gebremst den Start um zwei Tage, ruhte sich fünf Tage aus und ist heute aufgebrochen, um dem Feld hinterher zu segeln. Heute am 17 Dezember um 13 Uhr wurde die Startlinie geschlossen.

„Wir haben genau das getan, was wir tun wollten“, erklärte er kurz vor dem Ablegen. „Wir haben eine Transatlantik ohne Risiko absolviert und die Gelegenheit genutzt, das Boot besser kennenzulernen. Je länger es dauerte, umso wohler fühlte ich mich.“

Er habe mit Bernhard Stamm an “der neuen Bedienungsanleitung gearbeitet, die man bei einem neuen Boot immer anpassen muss. Unsere Atlantiküberquerung hat es uns ermöglicht, das Boot zu verstehen. Je temperamentvoller das Pferd ist, desto länger dauert es, es zu zähmen.“ Dabei dürfte er sich vielfach mit Eric Bellion ausgetauscht haben, der mit dem früher zu Wasser gelassenen Schwesterschiff die TJV bestritt, aber mit einem Strukturschaden aufgeben musste. Eine Rumpf-Deck Verbindung war im Bugbereich gebrochen. 

Le Cam wird auf die Geräusche seines Neubaus mit dem sperrigen Namen Tout Commence en Finistère – Armor Lux hören müssen, wenn er den Rückweg nach Lorient antritt. Denn Wetterexperte Dumard erklärt schon: “So einfach wird es für ihn nicht werden.” Einem ersten Tief folge ein großes tropisches Tief, das ihm den Weg versperren könnte.

Die drei führenden Boote der Retour à La Base werden schon am Samstagnachmittag erwartet. Die nächsten beiden Gruppen sollen zwei bis vier Tage länger benötigen.

Race Tracker Retour à La Base

 

Carsten Kemmling

Der Mann von der vordersten Front. Mehr zu ihm findest Du hier.

5 Kommentare zu „Retour à La Base: Sebastien Simon mit Not-Stopp – Boris Herrmann auf Platz vier“

  1. Eissturmvogel sagt:

    Noch eine kleine Korrektur: Wenn es mit 2024 klappt, wird das schon die sechste Vendée-Globe-Teilnahme für Jean Le Cam (2004/05: Platz 2, 2008/09: bei Kap Hoorn gekentert und gerettet, 2012/13: Platz 5, 2016/17: Platz 6, 2020/21: Platz 4). Damit hält er dann den alleinigen Rekord.

  2. eku sagt:

    Das ist eine recht verzwickte Wetterlage
    Ich bin mir absolut nicht sicher, ob sich das alles so fortentwickelt wie iA zu erwarten.
    Es würde mich nicht wundern, wenn in 2 Tagen ein ganz anderes Ergebnis zu erwarten wäre

    Werden wir sehen ..

  3. Ulli sagt:

    Hey Boris, super Platzierung!! Halt durch ?

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  4. PL_klaus.schink sagt:

    Schreibfehler: Heute am 17 Dezember um 13 Uhr wurde die Startlinie geschlossen -> 7.Dezember

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  5. open60fan sagt:

    Witziges Bild von Boris.

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